Arabische Tradition und europäische Moderne

St Wendel · „Vom Orient zum Okzident“ war das Motto der 24. St. Wendeler Jazztage. Das Wochenende bot einige fantastische Konzerte.

 Flotter Modern Jazz mit Eric Séva am Saxofon. Foto: Kerstin Krämer

Flotter Modern Jazz mit Eric Séva am Saxofon. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Huch - hatte man sich auf einen orientalischen Basar verirrt? Das Foyer des Saalbaus war am Wochenende kaum wiederzuerkennen. Teppiche zierten Boden und Wände, Düfte von gefüllten Weinblättern und Couscous aromatisierten den Raum, und exotisch gekleidete Damen kredenzten Tee aus Samowaren. Ambiente und Kulinarisches, angeboten vom Frauen-Kulturverein "SaarKult", hatten sich dem diesjährigen Motto von WND Jazz angepasst: "Vom Orient zum Okzident" reichte die Spannweite des rein akustischen Programms rund um den Mittelmeerraum, das als Instrument die Oud (arabische Knickhalslaute) in den Mittelpunkt stellte.

Wieder einmal durfte das Publikum ein hochkarätiges Festival bejubeln, das der Lage im Nahen Osten zum Trotz den Dialog der Kulturen feierte. Nach dem Prolog vorvergangener Woche mit der NRW-Weltmusik-Bigband "Transorient Orchestra" im Kulturzentrum Alsfassen verlangte der Auftakt des Kernfestivals allerdings Geduld: Das Flugzeug des italienischen Trios Enrico Pieranunzi (Flügel), Gabriele Mirabassi (Klarinette) und Luca Bulgarelli (Kontrabass) hatte Verspätung. Von Jetlag war dann bei ihrem Kurzauftritt jedoch keine Spur - elegant und leichtfüßig flossen die pfiffigen Themen nur so dahin. Mit langem Atem ging Mirabassi oft in die Knie und blies wilde Triller und Flageoletts auf einem Bein, während Star-Pianist Pieranunzi vertrackte Kaskaden aus den Tasten meißelte und der agile Bulgarelli jedes seiner flinken Soli mit parallelem Gesang begleitete.

Eigenwillig, widerborstig, rau und voller Dissonanzen, zugleich lyrisch und von immenser Farbigkeit - so präsentierte sich unter der Leitung des famosen Oud-Spielers Grégory Dargent die folkloristische Kammermusik des Straßburger Quintetts "L'Hijâz'Car". Es bot einen feinnervigen Klang in perfekter Verbindung aus arabischer Tradition und europäischer Moderne - aufhorchen ließ etwa Nicolas Becks "Tarhu", eine klanglich dem Cello ähnliche Langhalslaute.

Superlative in transparentem Klang bot auch der Samstag dank zweier Formationen, die das Publikum gar nicht mehr ziehen lassen wollte. Gefeiert wurde zum einen das langjährige Ensemble des libanesischen Lautenisten Rabih Abou-Khalil, auf das sich die Qualitäten von "L'Hijâz'Car" übertragen lassen, freilich in der kleineren Trio-Besetzung mit Oud (Abou-Khalil), Akkordeon (Luciano Biondini) und Schlagzeug mit Percussion (Jarrod Cagwin). Mal melancholisch und flüsterleise, dann wieder ausgelassen, furios und tänzerisch druckvoll bescherte das Trio einen emotional wie klanglich bestechenden Kehraus - gekrönt durch Khalils urkomische Moderation, die den deutschsprachigen Virtuosen als fabulierfreudigen Erzkomödianten auswies.

Eröffnet worden war der Abend vom Quartett des französischen Bariton- und Sopransaxofonisten Eric Séva, dessen energetischer Modern Jazz in seiner stimulierenden Mischung aus geradezu unverschämter Coolness, Intensität und Spielfreude unwiderstehlich war. Dreh- und Angelpunkt dieser kosmopolitischen Synthese war Ensemblechef Séva, der seinen Saxofonen einen betörenden Klangreichtum entlockte und mit traumwandlerischer stilistischer Sicherheit die Fäden zog. Heiß!

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