AOL zieht sich aus Deutschland zurück

Hamburg. Der AOL-Werbespot ist unvergessen: "Bin ich schon drin?", fragte Boris Becker 1999. Zehn Jahre später ist AOL draußen - aus dem deutschen Markt. Denn die Konzernzentrale in New York hat entschieden, alle deutschen Büros des Internetanbieters zu schließen und die verbliebenen 140 Mitarbeiter zu entlassen

Hamburg. Der AOL-Werbespot ist unvergessen: "Bin ich schon drin?", fragte Boris Becker 1999. Zehn Jahre später ist AOL draußen - aus dem deutschen Markt. Denn die Konzernzentrale in New York hat entschieden, alle deutschen Büros des Internetanbieters zu schließen und die verbliebenen 140 Mitarbeiter zu entlassen. Ihre Jobs fallen Kürzungen zum Opfer, mit denen Konzernchef Tim Armstrong die Kosten senken und das lahmende US-Geschäft anschieben will. Weltweit sollen 2500 der insgesamt 6900 Stellen wegfallen, hatte das Unternehmen im November angekündigt. Nachdem nur rund 1100 Mitarbeiter ein Abfindungsprogramm nutzten und freiwillig gingen, entlässt das Unternehmen nun bis zu 1400 weitere Beschäftigte. AOL war in den 1990er Jahren der Liebling der Börsianer. Das Unternehmen wurde auf dem Höhepunkt des Booms so hoch gehandelt, dass es sogar den deutlich größeren Mediengiganten Time Warner kaufen konnte. Inhalte plus Zugang - das rechtfertigte im Jahr 2001 einen rund 100 Milliarden Dollar schwere Zusammenschluss. Die Fusion scheiterte: AOL schrieb rote Zahlen, Time Warner musste massive Verluste abschreiben. Das AOL-Geschäftsmodell erwies sich zudem als wackelig: Der Wettbewerb um die Kunden war so heftig, dass die Margen sanken. Auch mit seinem teuren Nachrichtenportal konnte der Gigant die flüchtigen Nutzer nicht an sich binden - Infos gab es auch überall kostenlos im Netz. Der Konzern tilgte daraufhin verschämt das "AOL" aus dem Namen und trennte später die Sparte ganz heraus. Seit Dezember 2009 ist der einstige Internet-Pionier wieder eigenständig. AOL-Chef Armstrong setzt auf eine Doppelstrategie: Inhalte produzieren und für Werbung kassieren. Im Heimatmarkt USA investiert AOL seit einiger Zeit kräftig in seine eigenen Angebote. Neben dem bekannten Portal AOL.com hat das Unternehmen etliche Websites aufgebaut und angekauft - von Technik-Blogs wie Engadget über Klatsch-Seiten wie TMZ bis hin zu Lifestyle-Nachrichten für Frauen. In den USA hat der Konzern eine größere Reichweite als Google und Yahoo. Dennoch ist der Umsatz im abgelaufenen Quartal um 18 Prozent auf 415 Millionen Dollar gesunken. Analysten gehen davon aus, dass er weiter sinken wird. Armstrong will daher an die Kosten. Der Personalabbau soll jährlich 300 Millionen Dollar einsparen. Der Kahlschlag trifft vor allem Europa: neben Deutschland auch Frankreich, Schweden, Finnland und Spanien. Ein Trost für treue AOL-Nutzer in Deutschland: Das Portal AOL.de bleibt erhalten, wenn auch in einer abgespeckten Version, wie Sprecher Thomas Knorpp sagt. Nutzer können also weiter die Postfächer für E-Mails und den AOL Instant Messenger (AIM), ein Programm zum Chatten, nutzen.

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