Anleger fliehen aus Prokon

Itzehoe/Saarbrücken · Michael Olbrich, Professor am Institut für Wirtschaftsprüfung der Saar-Uni, setzt sich schon seit längerem kritisch mit der Firma Prokon und ihrem Zahlenwerk auseinander. Über seine Bedenken zu den Prokon-Zahlen und dem Geschäftsmodell sprach er mit SZ-Redakteur Joachim Wollschläger.

Die Anleger der Windenergie-Firma Prokon bekommen zunehmend kalte Füße: Immer mehr Anleger fliehen, nachdem Prokon-Chef Carsten Rodbertus eine Insolvenzdrohung in den Raum gestellt hat. Während am Freitag noch von Kündigungen im Volumen von rund 150 Millionen Euro die Rede war, haben gestern bereits Anleger mit Investitionen von 227 Millionen Euro ihren Ausstieg bekannt gegeben.

Prokon, von seinen Anlegern bisher als Alternativmodell einer bürgerfinanzierten Finanzanlage gefeiert, kommt nun in Liquiditätsnot. Denn das Unternehmen, das sich bei seiner Finanzierung vor allem auf die Genussrechte der Anleger stützt - 1,4 Milliarden Euro machen die Anlagen aus -, kann aktuell "keinerlei Rückzahlungen oder Zinsauszahlungen vornehmen". Das schreibt Rodbertus in einem Brief an die Anleger.

Der Brief kommt als Entschuldigung, nachdem der Prokon-Chef seine Investoren vor einer Woche aufgefordert hatte, sich schriftlich zu verpflichten, ihre Genussrechte mindestens bis Ende Oktober zu halten, Zinsen zu reinvestieren und Kündigungen zurückzunehmen. Sollten mehr als fünf Prozent ihre Genussrechte kündigen, wäre Prokon gezwungen, Insolvenz anzumelden.

Trotz der Entschuldigung - die Insolvenz steht weiter im Raum. Um die Fünf-Prozent-Schwelle zu unterschreiten, dürften höchstens 70 Millionen Euro gekündigt werden. Stattdessen nehmen die Kündigungen täglich zu.

Die Verbraucherzentrale sieht sich durch die Entwicklung in ihren Befürchtungen bestätigt. Schon länger warnt sie vor Geldanlagen bei Prokon: "Das Risiko dieser Geldanlage ist nicht absehbar", sagt Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Seine Kritik entzündet sich auch daran, dass das Unternehmen keine brauchbaren Zahlen zur Unternehmensentwicklung vorlegt. Er rät weiterhin zum Ausstieg: "Die Anleger müssen sich einfach fragen, ob sie Prokon angesichts der Entwicklung immer noch für eine gute Anlage halten. Wenn nicht, bleibt nur der Verkauf", sagt er.

Prokon hatte Anleger in den vergangenen Jahren immer über eine Traum-Rendite von bis zu acht Prozent gelockt. Eine Rendite, die das Unternehmen gar nicht erwirtschaftet: Nach Informationen des Handelsblatts hat Prokon in den ersten zehn Monaten 2013 ein operatives Ergebnis von 33,5 Millionen Euro eingefahren, es stehen aber Zinszahlungen von über 100 Millionen Euro an.

Prokon bedient sich hier eines Tricks: Das Unternehmen geht davon aus, dass ein fertiger Windpark mehr wert ist als die Investitionen. Die somit entstandenen stillen Reserven könnten für Zinszahlungen genutzt werden, teilt Rodbertus mit. Dass diese faktisch aber nur auf dem Papier als Hoffnungswert existieren (siehe Interview), ficht ihn nicht an. Auch nicht, dass Prokon sogar stille Reserven für ein Unternehmen anführt, das gar nicht zum Konzern gehört.

Die Schutzgemeinschaft der Kleinanleger geht davon aus, dass eine Insolvenz kaum noch zu vermeiden ist. Trotzdem rät SdK-Fachmann Daniel Bauer den Anlegern nun, ihre Anlage nicht zu kündigen. "Wir gehen davon aus, dass der Anlage bei Prokon noch ein gewisser Wert entgegensteht", sagt er. Die Genussrechts-Inhaber könnten somit hoffen, zumindest einen Teil ihrer Investition zu retten.

Nach Aussage der saarländischen Insolvenzverwalter Udo Gröner und Marc Herbert haben die aktuellen Kündigungen sowieso keine Auswirkungen mehr. "Bei einer Insolvenz wird der Verwalter jede geleistete Zahlung anfechten", sagt Gröner. Die Drohung mit der Insolvenz im Prokon-Schreiben an die Anleger sei aus Sicht eines Verwalters "ein Traum", sagt Marc Herbert. Damit habe Prokon die Anfechtungsgründe frei Haus geliefert.

Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes fordert angesichts des Falls Prokon gegenüber der Saarbrücker Zeitung eine stärkere Regulierung des grauen Kapitalmarktes. "Wir brauchen keine Glücksritter Marke Prokon", sagte er.Warum stehen Sie Prokon so kritisch gegenüber? Prokon stellt seinen Anlegern eigenen Angaben zufolge doch eine Menge Informationen zur Verfügung?

Olbrich: Prokon stellt auf seinen Netzseiten eine große Masse an Informationen bereit. Der Großteil davon ist aber für einen Betriebswirt wertlos. Weil testierte Abschlüsse, insbesondere ein testierter Konzernabschluss fehlen. Und zum Teil Rechnungen aufgemacht werden, die betriebswirtschaftlich kaum Aussagekraft haben. Als Großunternehmen muss Prokon seinen Abschluss von einem Wirtschaftsprüfer testierten lassen.

Prokon schüttet seit Jahren mehr aus, als das Unternehmen erwirtschaftet. Als Begründung führt das Unternehmen stille Reserven an, die durch den Bau von Windparks entstehen. Was ist davon bilanzrechtlich zu halten?

Olbrich: Es gilt nach Handelsrecht: Eine stille Reserve ist tatsächlich erst dann bewiesen, wenn sie durch einen Verkauf auch aufgedeckt worden ist. Falls die stillen Reserven tatsächlich vorliegen sollten, wären sie aber im Anlagevermögen gebunden, stünden also nicht in liquider Form für Zinszahlungen bereit.

Warum ist der Fall Prokon so aufsehenerregend - es gibt doch viele Unternehmen, die am grauen Kapitalmarkt operieren?

Olbrich: Das Beispiel Prokon ist in vieler Hinsicht interessant, auf der einen Seite wegen des Volumens und der großen Anzahl der Betroffenen. Auf der anderen Seite aber auch wegen des Gebarens des Unternehmens gegenüber Kritikern. Prokon reagiert nicht auf Medienanfragen und geht auch mit Rechtsanwälten gegen Kritiker vor. Das kann Zweifel am Geschäftsmodell bestärken.

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