Angst vor Reform beflügelt Windbranche

Mehr, höher, leistungsfähiger. 2014 wird mit voraussichtlich 3300 bis 3700 Megawatt neu installierter Leistung ein neues Rekordjahr der Windenergie in Deutschland werden. Das prognostiziert der Branchenverband. SZ-Korrespondent Werner Kolhoff hat Fragen und Antworten zu dem Thema zusammengestellt.

 Nahe bei Losheim entsteht derzeit ein neuer Windpark. Vier Windräder werden dort insgesamt aufgestellt. Foto: Rolf Ruppenthal

Nahe bei Losheim entsteht derzeit ein neuer Windpark. Vier Windräder werden dort insgesamt aufgestellt. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Wie erklärt sich die Rekordzahl?

Der Bundesverband Windenergie nennt als Grund die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ). Viele Investoren hätten Angst vor stark sinkenden Fördersätzen gehabt - die aber nicht gekommen sind. Zudem dürfen die Länder künftig eigene Abstandsregeln für Windräder festlegen. Die Firmen beeilten sich wegen der drohenden Einschränkungen, ihre Projekte so schnell wie möglich zu realisieren. So gab es im ersten halben Jahr einen Zubau um 650 neue Windräder mit insgesamt 1722 Megawatt Leistung. Normalerweise werden bis zum Sommer nur 30 Prozent der geplanten Projekte realisiert, jetzt waren es 50 Prozent. Wegen des Vorzieh-Effektes dürfte der Zubau 2015 wieder schwächer sein, zumal dann der neue Deckel von 2500 Megawatt jährlich gilt. Wird er überschritten, sinkt die Förderung schneller als vorgesehen.

Gibt es regionale Unterschiede beim Neubau von Windrädern?

Ja, sehr große. Schleswig-Holstein errichtete ein Viertel der neuen Kapazitäten, insgesamt 159 Anlagen. Es folgen Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils 64 bis 77 zusätzlichen Windrädern. Erstaunlich ist, dass die Binnenländer Bayern und Rheinland-Pfalz mit jeweils etwas über 50 Windrädern auf den folgenden Plätzen rangieren. Vorher war hier der Zubau viel schwächer. Überraschender noch, dass Sachsen ohne neues Windrad blieb und in Baden-Württemberg nur ein einziges gebaut wurde. In Sachsen gibt es Widerstand in der Landesregierung, im Ländle bei den Bürgern an den Baustandorten.

Wie verteilt sich die Windkraft, und wie leistungsfähig ist sie?

Inzwischen stehen in Deutschland insgesamt 24 193 Windenergieanlagen, die 35 388 Megawatt Leistung bringen. Sie produzieren zehn Prozent des deutschen Stroms. Die Windkraft auf See (Offshore) kommt mit 146 Anlagen und 628 Megawatt dazu. Zusammen mit der Biomasse und der Photovoltaik kommt heute 29 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. In den fünf Küsten-Ländern sind 42 Prozent der Windenergie-Leistung installiert.

Wie hat sich die Technik entwickelt?

Es geht im wahrsten Sinne des Wortes weiter nach oben. Neue Windräder an der Küste sind im Schnitt heute etwas unter 100 Meter hoch und haben einen Rotordurchmesser von 91 bis 94 Meter. Die Anlagen im Binnenland schießen ungefähr 130 Meter in die Höhe. Sie lägen damit alle auf Platz 30 der höchsten Häuser in Deutschland, noch vor dem Frankfurter Garden Tower und dem Essener RWE-Turm. Die durchschnittliche Leistung neuer Anlagen liegt bei 2,7 Megawatt. Altanlagen sind viel schwächer. Deswegen und wegen der Schwierigkeiten mit lokalen Bürgerinitiativen werden vorhandene Windräder häufig durch neue größere am gleichen Standort ersetzt (Repowering). Im ersten Halbjahr betraf das 93 Anlagen.

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