Angst vor Euro-Flächenbrand wächst

Brüssel. Irland will seine Finanzkrise weiter aus eigener Kraft bestehen und beansprucht kein Geld aus dem Europäischen Krisenfonds. "Wir stellen keinen Antrag auf fremde Hilfe", bekräftigte Premierminister Brian Cowen gestern in Dublin

Brüssel. Irland will seine Finanzkrise weiter aus eigener Kraft bestehen und beansprucht kein Geld aus dem Europäischen Krisenfonds. "Wir stellen keinen Antrag auf fremde Hilfe", bekräftigte Premierminister Brian Cowen gestern in Dublin. Trotzdem wächst der Druck auf Dublin, den 750-Milliarden-Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen, um einen Flächenbrand in der Euro-Zone zu verhindern. Im Kreis der Finanzminister aus den 16 Ländern mit Gemeinschaftswährung wurden gestern am späten Abend entsprechende Forderungen laut. Zuvor war bekannt geworden, dass EU-Währungskommissar Olli Rehn bereits Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgenommen hat. "Wir müssen Lösungen für die schwierigen Probleme der irischen Bankenbranche finden", sagte der Finne in Brüssel. Österreichs Finanzminister Josef Pröll sprach von einer "Ansteckungsgefahr" für die Euro-Zone. "Zu lange warten, wird zu teuer."Dublin kämpft zwar mit einem Haushaltsdefizit von 32 Prozent im laufenden Jahr und einer Verschuldung von 106 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dennoch braucht die Regierung erst Mitte 2011 wieder frisches Geld - 23,5 Milliarden Euro. "Warum sollten wir einem Land Geld geben, das keines will", sagte ein hochrangiger Diplomat gestern vor dem Treffen der Finanzminister.Dort sieht man die Lage allerdings anders. Dublin hat für seine Banken eine Staatsgarantie bis zu 350 Milliarden Euro abgegeben. Die Geldinstitute auf der grünen Insel benötigen nun dringend Unterstützung in einer Größenordnung bis zu 50 Milliarden Euro, die Risikozuschläge auf dem Kapitalmarkt schießen nach oben. Nicht nur Brüssel befürchtet einen Domino-Effekt: Aufgrund der teurer werdenden Kredite auf dem Markt könnten zuerst auch die Wackel-Kandidaten Portugal und Spanien abstürzen. Anschließend werde der Zirkel auch andere Banken erfassen, die mit hohen Summen auf der Insel beteiligt sind. Allein die deutschen Institute haben 101,5 Milliarden Euro in Irland investiert. Deshalb wäre, so hieß es gestern aus dem Kreis der Euro-Finanzminister, eine Nothilfe für Dublin "Salbei auf die offene Vertrauenskrise in die Gemeinschaftswährung". Irische Zeitungen berichteten gestern, die Regierung erwäge inzwischen, Hilfe für die Geldinstitute, nicht aber für den Staat zu beantragen. Das ist nach den Regeln des Rettungsfonds der EU möglich. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker meinte am Rande des Treffens, die "Vereinbarungsmasse ist so, dass man das machen kann." In Brüssel schlug zuvor bereits der ständige EU-Ratspräsident, Herman Van Rompuy, Alarm. "Wenn die Euro-Zone nicht überlebt, wird auch die Europäische Union nicht überleben", sagte er. Die Fronten des Streits ziehen sich offenbar mitten durch die Euro-Zone. Während vor allem die Risiko-Mitglieder Griechenland, Spanien, Portugal und Irland alles Reden über ihre instabile Haushaltslage vermeiden wollen, drängen die große Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich auf eine vorbeugende Krisenintervention zugunsten der gesamten Euro-Region. "Dublin muss wissen, dass es nicht mehr nur um Irland geht", sagte gestern Abend ein hochrangiger EU-Diplomat. Meinung

Es geht um den Euro

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Es geht nicht nur um Irland. Der fatale Fehler der Dubliner Regierung, den eigenen Banken eine nahezu unerfüllbare Ausfallbürgschaft zu geben, zieht Kreise. Und die erschüttern erneut die ganze Euro-Zone. Ein europäischer "Domino-Day" erscheint nicht mehr undenkbar: Erst fallen die anderen Wackelkandidaten, weil der Finanzmarkt unbezahlbare Risikozuschläge fordert. Anschließend reißen sich die Banken, die auf der Insel investiert haben, gegenseitig in den Abgrund. So verständlich das Bemühen der irischen Regierung, die Lage ohne Hilfe von außen zu meistern, auch ist - die Verantwortung gegenüber der Euro-Zone darf sie nicht abschieben. Denn die Lage ist dramatisch. Griechenland kommt nicht wirklich vom Fleck, Portugal muss sich gegen Untergangsszenarien wehren und auch in Spanien ist nicht absehbar, ob die Finanzkrise noch abgewendet werden kann. Dabei wird die EU genau im falschen Augenblick erwischt. Die neue Finanzmarktaufsicht konnte noch nicht installiert werden. Es ist nicht einmal sicher, ob sie wie geplant Anfang 2011 ihre Arbeit aufnehmen kann. Jetzt hilft nur noch eines: Zusammenhalt und gemeinschaftliches Handeln. Irland sollte das wissen.

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