Angela Kohl

Meinung · Auf dem Parteitag in Karlsruhe hat Angela Merkel endlich das gezeigt, was viele von ihr so lange vermisst haben: Kantigkeit, um nicht zu sagen Aggressivität gegenüber dem politischen Gegner. Entschlossenheit, um nicht zu sagen Führungswillen nach innen. Härte, um nicht zu sagen Dickfelligkeit gegenüber den Medien

Auf dem Parteitag in Karlsruhe hat Angela Merkel endlich das gezeigt, was viele von ihr so lange vermisst haben: Kantigkeit, um nicht zu sagen Aggressivität gegenüber dem politischen Gegner. Entschlossenheit, um nicht zu sagen Führungswillen nach innen. Härte, um nicht zu sagen Dickfelligkeit gegenüber den Medien. Der Ruf nach mehr "CDU pur", der in der Partei lange zu hören war, ist ziemlich verklungen. Fast ein Jahrzehnt lang hat die erste CDU-Chefin aus dem Osten, die erste auch ohne eigene Basis und Seilschaften, davon gelebt, dass die anderen in der Union noch schwächer waren als sie. So kam sie überhaupt ins Amt, als einzige Nichtverbrannte der CDU-Spendenaffäre. So behielt sie ihre Machtposition. Sie wartete einfach ab, dass andere strauchelten (wie Rüttgers, Oettinger und Stoiber) oder weggelobt wurden (wie Koch und Wulff). Gestern in Karlsruhe nun ging sie mal daran, die Parteispitze aktiv nach ihrem Plan zu formen. Es gibt kein anderes Kraftzentrum mehr in der Union, das Angela Merkel quer kommen könnte. Nicht die Fraktion, nicht die Länder. Auch inhaltlich nehmen die Parallelen zu Helmut Kohl zu. Merkel, die bisher wohltuend unideologisch argumentierte, sucht jetzt ihr Heil in einer stärkeren parteipolitischen Polarisierung gegen Rot-Rot-Grün. Allerdings ist das alles noch mehr verbal als real. Die Radikalreformen des Sozialsystems, die der Leipziger Parteitag 2003 gefordert hatte, sind endgültig begraben. Die Familienpolitik ist modern, die Innenpolitik liberal. Die aktuellen Änderungen im Gesundheitssystem, bei Hartz IV und in der Haushaltspolitik sind moderat. Nur beim Atom weicht sie davon ab. Das ist ein klarer Angriffspunkt und Fehler, zumal er eine schwarz-grüne Option verbaut. Insgesamt aber hat Merkel begriffen, dass im föderalen Deutschland mit seiner Vielzahl von Entscheidungsebenen das "Durchregieren" sowieso nur eine Idee von Politiktheoretikern sein kann, nicht von Praktikern. Sie hat begriffen, dass die Leute ("die Leut'", hätte Kohl gesagt) am zufriedensten sind, wenn sie von der Politik nicht behelligt werden und eine Regierung souverän agiert. Großes zu bewegen, dafür hat sich Merkel längst eine andere Ebene erschlossen: Europa, wie gerade beim Euro-Stabilitätspakt, oder gar die ganze Welt, wie gerade beim G-20-Gipfel in Seoul. Das alles wirkt gereift und souverän. Merkel ist in Karlsruhe auf dem Gipfel ihrer Macht angekommen. Nun muss sie nur noch aufpassen, dass aus Dickfelligkeit, die eine Kanzlerin haben muss, nicht Selbstgefälligkeit wird. Jedenfalls nicht so schnell. Dann kann sie noch lange dort bleiben.

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