Amazon gerät unter Druck

Koblenz/München · Der jüngste Streik bei Amazon trifft den Internet-Händler in der sensibelsten Zeit des Jahres. 2500 Beschäftigte haben aus Protest gegen die Bezahlung die Arbeit niedergelegt.

Mitten im Weihnachtsgeschäft hat die Gewerkschaft Verdi den Arbeitskampf beim Versandhändler Amazon ausgeweitet. Gestern blieben nach Gewerkschaftsangaben mehr als 2500 Beschäftigte an sechs der neun deutschen Standorte vor den Toren. Am Montag waren bereits mehr als 2000 Mitarbeiter an fünf Standorten im Ausstand. Jetzt beteiligten sich laut Verdi auch Amazon-Beschäftigte in Koblenz an dem auf drei Tage angelegten Streik. Auch nach dem Ende der Aktion in der Nacht zum Donnerstag will Verdi nicht lockerlassen.

Damit trifft die Gewerkschaft, die den Onlinehändler an den Verhandlungstisch für einen neuen Tarifvertrag zwingen will, in der sensibelsten Phase des Jahres. Ein Großteil des Umsatzes macht der Handel in den Tagen vor Weihnachten. "Es ist kein Päckchen liegen geblieben", sagt Unternehmenssprecherin Anette Nachbar denn auch zweckoptimistisch. Wer allerdings Anfang der Woche seine Weihnachtsgeschenke bestellen wollte, bekam als Lieferdatum den Zeitraum vom 24. bis zum 30. Dezember genannt.

Bei dem Streit geht es primär um die Eingruppierung der Amazon-Mitarbeiter. Der Online-Händler sieht sich als Logistikunternehmen, das in dieser Branche gehobene Löhne zahlt. Die Gewerkschaft verlangt einen besser ausgestatten Tarifvertrag zu Bedingungen des Einzelhandels. Amazon beschäftigt eigenen Angaben zufolge 10 000 Angestellte, vor Weihnachten 10 000 Saisonkräfte zusätzlich. Der Geschäftsführer von Amazon Deutschland, Ralf Kleber sieht keine Notwendigkeit für Tarifverhandlungen. "Wir setzen schon von jeher auf betriebliche Mitbestimmung, wir haben an jedem Standort gewählte Betriebsräte." Auch an den Streiktagen laufe das Geschäft ganz normal. Ganz kalt lässt ihn der Ausstand aber nicht: "Natürlich sind wir angespannt, das ist eine der wichtigsten Wochen des Jahres." Die Gewerkschaft berichtete von Störungen im Betrieb durch den Ausstand. Amazon bestritt das.

Heute will die Gewerkschaft den Druck weiter erhöhen. Die Streikenden aus den beiden nordrhein-westfälischen Standorten und aus Bad Hersfeld wollen mit Bussen zu einer zentralen Streik-Kundgebung nach Koblenz fahren.

Meinung:

Der Schuss trifft ins Ziel

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Amazon behauptet zwar, dass der Streik keine Auswirkungen hat. Wenn das Unternehmen Bestellern aber jetzt schon mitteilt, dass die Sendungen frühestens an Heiligabend ankommen, ist das eine Bankrott-Erklärung. Damit ist das Weihnachtsgeschäft abgehakt. Verdi hat also mit der Aktion genau ins Schwarze getroffen. Sicherlich, für die Kunden mag es lästig sein, sich ihre Geschenke jetzt anderswo zu besorgen, für den angeschlagenen Einzelhandel dagegen ist der Streik ein Segen. Denn jetzt entdecken Kunden plötzlich wieder, dass man Bücher auch in Buchhandlungen und Spielzeug auch im Kaufhaus bekommt.

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