Alarmierende Prognos-Studie: Europas Krise dauert noch viele Jahre

Brüssel · Europas Wirtschaft wächst auf mittlere Sicht so langsam, dass sie gegenüber China und den USA weiter zurückfällt. Das geht aus einer Studie des Prognos-Instituts hervor.

Die Folgen der Finanzkrise dürften Europas Wirtschaft noch mehrere Jahrzehnte im Griff halten. Vor allem Griechenland wird der Studie "Europa 2040" des Baseler Prognos-Instituts zufolge noch bis zum Jahr 2032 brauchen, ehe das Land wieder die wirtschaftliche Stärke von 2007 erreicht hat. Die Erhebung im Auftrag des Verbandes der bayerischen Wirtschaft (VBW) wird heute in Brüssel offiziell vorgestellt, sie lag unserer Zeitung vorab vor.

Während Deutschland schon 2010 das Vorkrisen-Niveau erreicht hatte, brauchen andere EU-Staaten noch Jahre. Frankreich dürfte den Berechnungen zufolge erst 2019 wieder das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 2007 schaffen. Portugal bereits 2016, Spanien 2018, Italien 2020. Zu den europäischen Sorgenkindern gehört aber auch Großbritannien. Die Insulaner müssen noch bis 2025 gegen die Krise ankämpfen, ehe sie wieder so stark wie vorher sind.

"Diese Zahlen sind ein Alarmsignal und unterstreichen den Handlungsdruck", sagte VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. "Wir müssen für die Wettbewerbsfähigkeit Europas jetzt auf Reformen und Zukunftsinvestitionen setzen." Denn die Probleme bremsen die gesamte Union aus.

Sollten die Fachleute recht behalten, würde China in den nächsten 25 Jahren mit einem Anteil von einem Drittel am weltweiten Wachstum die unangefochtene Führung behaupten können. Mit 23 Prozent folgen die USA, während die EU lediglich auf 17 Prozent kommt. Mit acht und fünf Prozent folgen Indien und Brasilien.

"Die Krisenländer des Euro-Raums haben auch mittelfristig mit den Folgen der hohen Staatsverschuldung, ihrer aktuellen Wettbewerbsschwäche und den zu bewältigen Reformen zu kämpfen ", heißt es in dem Papier. So werde die EU bis 2020 nur um durchschnittlich 1,3 Prozent im Jahr zulegen können. Erst danach könne sich die Dynamik wieder beschleunigen, so dass Zuwachsraten um die zwei Prozent möglich sind.

Die Arbeitslosigkeit dürfte sich zwar langfristig in den meisten Ländern deutlich verringern. Das ist nach Angaben der Forscher aber weniger ein Effekt erfolgreicher Politik, sondern vielmehr der zunehmenden Alterung. In Italien lag der Anteil der über 65-Jährigen 2012 bei 20 Prozent, er steigt bis 2040 auf 30 Prozent, die Zahl der Erwerbstätigen geht entsprechend zurück. Das wirke sich zwar positiv auf die Arbeitslosenquote aus, verursache aber erhebliche Probleme für das Sozialsystem, heißt es in der Studie. Ähnlich verläuft die Entwicklung auch in Frankreich, Großbritannien und Spanien .

Es gebe aber auch positive Signale, heißt es bei dem Wirtschaftsverband. "Fakt ist: Regierungen wie Spanien , Portugal , Irland und Lettland haben in den vergangenen Jahren ihren Bürgern noch härtere Anstrengungen abverlangt", betont Brossardt. "Nahezu alle diese Länder sind Ende 2014 auf einen Wachstumspfad zurückgekehrt." Dies zeige, dass Reformen "der richtige Ansatz" seien. Die EU dürfe deshalb nicht nachlassen, darauf in den Krisenländern zu drängen.

Meinung:
Mehr Mut zu Reformen

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Man kann die Studie abtun, weil sie weit in die Zukunft blickt und daher mit vielen Unsicherheiten behaftet ist. Man kann die Studie wegen Alarmismus verurteilen. Trotzdem sollte man sie ernst nehmen. Denn eins macht sie klar: Das erhoffte kräftige Wirtschaftswachstum lässt sich nicht auf die Schnelle mit neuen Schulden herbeizwingen. Europa muss sich mehr anstrengen und - schmerzliche politische Reformen - umsetzen, will es eine ökonomische Weltmacht bleiben. Reformen dürfen sich aber nicht auf den Abbau sozialer Wohltaten beschränken. So sehr auch das nötig sein mag, ganz wichtig sind Bürokratieabbau, Ausbildungsoffensiven, Korruptionsbekämpfung und Investitionen in Zukunftsthemen wie Energiewende und Digital-Wirtschaft.

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