Ärger bei EU-Fernfahrern über Mindestlohn-Pflicht

Berlin/Prag/Warschau · Posse oder Zündstoff für ernsten Ärger mit den Nachbarstaaten? Der Mindestlohn für Fernfahrer auf Durchreise beschäftigt jetzt sogar schon Spitzen mehrerer Regierungen in der EU. Betroffene sind empört.

Zuerst hörte es sich an wie eine Posse . Doch inzwischen hat sich so viel Ärger über den deutschen Mindestlohn für ausländische Lkw-Fahrer aufgestaut, dass ernste Verstimmungen in den osteuropäischen Ländern drohen.

Denn die Bundesregierung pocht darauf, dass die 8,50 Euro pro Stunde auch für Fernfahrer auf Durchreise gelten. Die Spediteure sollen Einsatzpläne schicken, der Zoll kann an der Autobahn direkt kontrollieren - und im Nachhinein etwa Daten zum Gehalt verlangen. Fünfstellige Bußgelder drohen.

Auch Oldrich Grill, Miteigentümer einer Spedition im tschechischen Cheb, ärgert sich: "Es ist eine übermäßige bürokratische Belastung und eine Benachteiligung gegenüber deutschen Spediteuren. Wie sollen wir nachweisen, dass wir die 8,50 Euro zahlen? Die Bezahlung setzt sich aus einem fixen Grundlohn sowie Prämien für Leistungen, geringen Kraftstoffverbrauch , konfliktfreies Arbeiten und Spesen zusammen." 60 bis 65 Prozent seines Umsatzes mache er mit deutschen Kunden. Wieviel Stunden ein Fahrer auf deutschen Straßen unterwegs ist, lasse sich nur schwer planen: "Die Anforderungen der Kunden ändern sich in Echtzeit von Stunde zu Stunde. Wenn es bei einem Kunden zu einer Störung im Betrieb kommt, verschiebt sich der Zeitpunkt des Transports. Wir wissen im Voraus nicht genau, welchen Fahrer und wie viele Arbeitsstunden wir den deutschen Behörden melden sollen." Zudem gebe es nur eine einzige Faxnummer, an die die Speditionen ihre Daten schicken sollen. Doch der Andrang ist so groß, dass dort oft besetzt sei, sagt Grill. Kritik kommt auch aus Ungarn. "Die ungarische Speditionsbranche ist schlicht nicht in der Lage, die vorgeschriebenen Mindestlöhne an ihre Fahrer zu zahlen", sagt der Chef des zuständigen Verbands NiT - Hungary, Gabor Dittel. 8,50 Euro seien das Dreifache des branchenüblichen ungarischen Lohns.

Die polnische Regierungschefin Ewa Kopacz telefonierte laut Polens Staatskanzlei sogar mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU ). Ergebnis: Die zuständigen Minister sollen über die Probleme beraten. Und auch die beiden zuständigen EU-Kommissare wollen das Thema nächste Woche in Berlin aufrufen.

Die Regierung in Warschau zog mit ihrem Eintreten gegen den deutschen Mindestlohn allerdings Kritik vom polnischen Gewerkschaftsverband OPZZ auf sich: "Es ist beschämend, dass die polnische Regierung auf EU-Ebene für niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen für Polen kämpft."

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