Absturz eines Aufgeblähten

Saarbrücken

 Ich bin in der Zeitung! Noch freut sich Troy Duffy. Foto: Capelight

Ich bin in der Zeitung! Noch freut sich Troy Duffy. Foto: Capelight

Saarbrücken. Was macht der Erfolg mit uns? Verändert er einen Menschen? Oder lockt er Charakterzüge an die Oberfläche, die sonst ewig im Verborgenen geschlummert hätten? Das ist die Kernfrage der Dokumentation "Overnight" (Anbieter: Capelight) und macht sie auch für ein Publikum interessant, das weder Troy Duffy noch seinen ersten Film "Der blutige Pfad Gottes" kennt. Denn die Geschichte, die hier erzählt wird, besitzt eine kinoreife Dramaturgie, geht es doch um Aufstieg und Absturz, wobei man letzteren der Hauptfigur von Herzen gönnt - was aber auch an der Machart der Dokumentation liegen könnte, die oft wie eine Abrechnung wirkt.1997 weckt ein junger Autor, Musiker und Türsteher namens Troy Duffy das Interesse des mächtigen Filmproduzenten Harvey Weinstein (Miramax). Der bietet Duffy 300 000 Dollar für ein Drehbuch an, dazu noch die Regie und eine 15-Millionen-Dollar-Finanzierung des Films um gottesfürchtige Rächer in Boston. Duffy wähnt sich verständlicherweise im Hollywood-Himmel und zieht nach Los Angeles, mit Freunden, die er als Co-Produzenten beschäftigt, und mit seiner Rockband Brood, die gleich noch die Filmmusik aufnehmen soll. Zwei (damalige) Freunde drehen darüber zudem eine Dokumentation - eben "Overnight". Die zeigt, wie Duffy als neues Talent in der Stadt von Stars beschnüffelt wird, während er den eigenen Mythos strickt vom einfachen Bostoner Arbeiterkind, das es im Los Angeles der Anzugträger zu etwas bringt. Doch die Grenzen zwischen Selbstbewusstsein und Selbstherrlichkeit lösen sich auf, was die Bandkollegen zu spüren bekommen: Alle sind gleich, nur Duffy ist gleicher. Das geblähte Ego scheint auch den Verhandlungen mit dem Miramax-Studio im Wege zu stehen. Weinstein, der wohl keine anderen Riesen-Egos als sich selbst erträgt, lässt das Projekt fallen. Duffy wird vom Wunderkind zum Ausgestoßenen: Kein anderes großes Studio will den Film nun drehen, nur eine Mini-Firma mit halbiertem Budget. Den fertigen Film will dann niemand ins Kino bringen. Liegt es an der Qualität? Oder am langen Arm von Weinstein, der sein altes Projekt nicht bei einem anderen Studio zum Erfolg werden lassen will? Die Musik - eingespielt von Duffys Band Brood - verkauft sich keine 700 Mal. Der Plattenvertrag platzt, die Band zerbricht, der Traum ist aus. Wie er zu Ende geht, das erzählt der Film drastisch: Da Duffy sich bei all dem hat filmen lassen (und gegen die Doku außer Drohungen wohl nichts unternommen hat), sieht man ihn bei gebrüllten Telefonkonferenzen und beim vergeblichen Warten in Cannes auf Käufer seines Films. Ein spannender Film mit einer Hauptfigur, die man zu hassen liebt, auch wenn der zweite Bösewicht des Stücks die Hollywood-Maschinerie ist. Ein Nachtrag: Nachdem "Overnight" abgeschlossen war, bekam Duffy noch einmal Arbeit - er drehte die Fortsetzung zu "Der blutige Pfad Gottes".

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