Abgebrannt durch Griechenland

Ein interessantes Experiment: Die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz lässt ihr neues Buch „Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland“ von einer ihrer Romanfiguren erzählen – Nelia Fehn aus „Nachkommen“.

Mit dem Deutschen Buchpreis hat es wieder nicht geklappt. Obwohl Marlene Streeruwitz nah dran war und es mit "Nachkommen " sogar auf die Longlist geschafft hatte. Damit glaubte die Jury in Frankfurt dann aber genug Selbstironie bewiesen zu haben - rechnet das Buch doch mit dem Literaturbetrieb und dem Buchpreis ab. Den Preis nahm (verdientermaßen) Lutz Seiler für "Kruso" mit nach Hause.

Jetzt erscheint mit "Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland" schon das zweite Buch von Streeruwitz in diesem Jahr. Und die 1950 in Baden bei Wien geborene Österreicherin narrt den Kulturbetrieb aufs Neue. Schlüpft sie doch in die Rolle ihrer Romanheldin Nelia Fehn und schreibt unter deren Namen den Roman, mit dem die junge Frau in "Nachkommen " für den Buchpreis nominiert war: "Marlene Streeruwitz als Nelia Fehn" steht auf dem Cover. Ob es ein Eingeständnis an den Verlag war, das Buch nicht ganz unter Pseudonym erscheinen zu lassen? Oder gehört das mit zum Spiel? Wie dem auch sei, auf jeden Fall eröffnen sich der Autorin ganz neue Welten. Ist der Text doch in einer ganz normalen Sprache geschrieben, nicht im typischen Streeruwitz-Sound mit den atemlosen Stakkatosätzen.

Streeruwitz lässt ihre Heldin durch ein von der Finanzkrise gezeichnetes Griechenland irren. Die 18-jährige Nelia hat auf Kreta ihre Halbschwester besucht, die dort ein "Resort für veganes Leben" betreibt, und ist jetzt auf dem Weg zu ihrem Freund Marios in Athen. Abends wollen die beiden sich bei einer Demo treffen. Doch Nelia verpasst die Fähre, weil der Nachbar, der sie hinbringt, sie zu küssen versucht. Sie stürmt aus dem Auto. Später fragt sie sich, ob sie überreagiert hat? Eine Odyssee beginnt. Auf dem Balkon von Nelias Hotels onanieren zwei Männer. Mit Schmugglern segelt sie übers Meer. Findet nach einem Sturm Zuflucht bei einem bisexuellen Regisseur aus Deutschland.

Das einzige, was das Buch mit den bisherigen von Streeruwitz gemein hat, ist der feministische Schreibansatz. Sonst liest es sich in der Tat wie das Debüt einer jungen Autorin. Sprache und Formulierungen sind mitunter schlampig. Die Story ist nicht gut durchgearbeitet, das Männerbild eindimensional. Das kennt man so von dieser exzellenten Schriftstellerin nicht. Mag der eingeschränkte Horizont Nelias auch zum Konzept gehören: Man wünscht sich die "alte" Streeruwitz zurück.

Marlene Streeruwitz als Nelia Fehn: Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland.

S. Fischer, 192 S., 18,99 Euro.

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