Kommunionsstreit Papst erteilt deutschen Bischöfen eine Lektion

BONN (dpa) Der Vatikan ist, staatsrechtlich gesehen, eine absolute Monarchie. In geistlichen Fragen gilt der Papstprimat. Wer das vergessen haben sollte, wird jetzt daran erinnert: Franziskus ließ am Montag über den Präfekten der Glaubenskongregation wissen, dass er nunmehr den Kommunionsstreit der deutschen Bischöfe entschieden habe – und zwar zugunsten einer kleinen konservativen Minderheit.

Der Vorsitzende der in Bonn ansässigen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, verbreitete daraufhin eine Erklärung, aus der seine Frustration deutlich herauszulesen ist. Bei seinem Gespräch im Vatikan Anfang Mai sei doch vereinbart worden, dass sich die Deutschen untereinander einigen sollten. Er sei deshalb „überrascht, dass jetzt dieses Schreiben aus Rom eingegangen ist“.

Der Punkt, um den es inhaltlich geht, ist die Frage, ob protestantische Ehepartner von Katholiken in der Messe zur Kommunion gehen dürfen. Derzeitiger Stand: Offiziell geht es nicht, in der Praxis aber schon. So wird in der katholischen Kirche schon seit Jahrhunderten vieles gehandhabt. Die Devise lautet ungefähr: „Macht ruhig – aber nur nicht an die große Glocke hängen!“ Das hat manchen Vorteil, aber auf der anderen Seite muss sich die Kirche dafür oft den Vorwurf der Doppelmoral und Scheinheiligkeit gefallen lassen.

Die „gründlichen“ Deutschen haben mit solchen Grauzonen oft ein Problem: Sie sehen die Dinge gern prinzipiell geregelt, damit man weiß, woran man ist. Deshalb hatten sie ein Papier erarbeitet, das genau festlegen sollte, unter welchen Umständen Protestanten an der Kommunion teilnehmen dürfen. Nur sieben Bischöfe waren dagegen – aber sie fanden sich nicht damit ab, dass sie von mehr als drei Vierteln der Bischofskonferenz überstimmt worden waren. Schließlich ist die Kirche keine Demokratie. Stattdessen wandten sie sich unter Federführung des Kölner Kardinals Rainer Woelki an den Vatikan. Franziskus hat ihnen nun recht gegeben – das Papier darf nicht veröffentlicht werden. „Hier wurde kurz vor dem Abgrund die Notbremse gezogen“, sagt der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, früherer Chef der Glaubenskongregation. „Entgleist ist der Zug trotzdem, weil Rom zu spät und zu zögerlich reagiert hat.“

Mit Anpassungen ihrer Lehre ist die katholische Kirche seit jeher sehr vorsichtig. „In der Kirche ist das Beharrungsvermögen ein sehr starker Faktor“, hat Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., einmal geschrieben. Allerdings wächst auch im Vatikan der Ärger darüber, dass Franziskus oft Erwartungen weckt, Ankündigungen macht – aber dann keine Taten folgen lässt. Auf der anderen Seite muss man anerkennen, dass der Papst einen Balanceakt vollführt. Dazu schreibt das katholische Nachrichtenportal „The Tab­let“: „Franziskus ist bereits scharf dafür angegriffen worden, wiederverheiratete Geschiedene in einigen Fällen zur Kommunion zuzulassen. Der Plan, Protestanten zur Kommunion zuzulassen, stößt in vielen Machtzentren des Vatikans auf großen Widerstand.“ Außerdem befürchte der Papst eine „Spaltung der deutschen Kirche“.

Unter den deutschen Bischöfen dürfte nun so etwas wie Katerstimmung herrschen – Woelki und seine sechs Gesinnungsfreunde mal ausgenommen. Der Kölner scheint in Rom über gute Kontakte zu verfügen. Für die anderen Bischöfe ist die Entscheidung eine Zurechtweisung, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat. Mit einem Rücktritt von Marx dürfte aber nicht zu rechnen sein – dazu ist er zu sehr westfälischer Dickschädel.

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