50 Jahre auf 1500 Seiten: Die Medien im Saarland

Saarbrücken. Im dreiköpfigen Herausgebergremium stehen Professor Clemens Zimmermann, der Kultur- und Mediengeschichte an der Saar-Uni lehrt, für den medialen, sein Kollege Rainer Hudemann als Professor für neuere und neueste Geschichte für den historischen und Michael Kuderna als SR-Redakteur und Vorsitzender der Landespressekonferenz für den journalistischen Sachverstand

Saarbrücken. Im dreiköpfigen Herausgebergremium stehen Professor Clemens Zimmermann, der Kultur- und Mediengeschichte an der Saar-Uni lehrt, für den medialen, sein Kollege Rainer Hudemann als Professor für neuere und neueste Geschichte für den historischen und Michael Kuderna als SR-Redakteur und Vorsitzender der Landespressekonferenz für den journalistischen Sachverstand. Über 20 meist junge Wissenschaftler und Praktiker (oft Mitarbeiter der Herausgeber) haben das Sammelwerk erarbeitet. Wenigstens kleine Biogramme hätte man sich gewünscht, um mehr über sie zu erfahren.

Das untersuchte "Medienbiotop" ist durch den historischen Sonderweg des Saarlandes gekennzeichnet und weist durch seine geringe Größe, seine ökonomischen Abhängigkeiten und durch das überragende Gewicht seiner beiden Hauptakteure, dem Saarländischen Rundfunk und der Saarbrücker Zeitung, starke Eigenheiten auf. Deshalb kann man aus diesen, gleichsam unter Laborbedingungen gewonnenen Erkenntnissen nicht ohne weiteres auf allgemeine Entwicklungen schließen. Andererseits spiegeln die generellen Bedingungen, unter denen Medien in regionalisierten Gesellschaften zu arbeiten haben, auch die Verhältnisse an der Saar wider. Die Dialektik zwischen saarländischen Besonderheiten und den medialen Entwicklungen weltweit weist über die Grenzen des Landes hinaus.

Der erste Band ist dem Jahrzehnt bis zur Volksabstimmung 1955 gewidmet. Der über ein Jahrzehnt währende französische Einfluss - ein Rückblick auf die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen verlängert die Perspektive noch - war durch die Eingliederung in die Bundesrepublik nicht einfach ausgelöscht. Der Einstieg in private Rundfunkveranstaltungen reicht in diese Zeit zurück. Die besatzungsrechtlich veranlasste staatliche Zwischenlösung der SZ und ihre spätere Privatisierung, auch manche medienpolitisch weiterwirkende Animosität aus den mit harten Bandagen ausgefochtenen Kämpfen um die Volksabstimmung wären ohne die detaillierte Darstellung der Zeit vor 1955 nicht verständlich.

Privatfernsehen an der Saar

Wie eine Räuberpistole liest sich die misslungene Überleitung des ersten privaten Fernsehsenders, der als Telesaar mit französischer Protektion u.a. von Fürst Rainier von Monaco gegründet worden war. Politisch an der langen Leine geführt, war er den noch im Volksabstimmungsfieber verharrenden deutschen Regierungsstellen nach der Entscheidung der Bevölkerung gegen die von den Franzosen befürwortete "Europäische Lösung" ein Dorn im Auge. Er sendete auf derselben Frequenz, wie es der noch nicht sendefähige SR erst noch sollte. Die Bevölkerung besaß Geräte für das französische SECAM-System, deutsche Sender strahlten in Pal aus. Am 15.1. 1958 schloss die deutsche Polizei den privaten Sender.

Da viele schriftliche Quellen seinerzeit vernichtet wurden, kommt Interviews mit seinerzeitigen Akteuren besondere Bedeutung zu. Trotzdem durchzieht die ganze Untersuchung eine merkwürdige Grundeigenschaft: Die Mediengeschichte bedürfte an einigen Stellen der vertiefenden Nacharbeit durch so etwas wie investigative Historiographie. Die Sicht der Verfasser hat - trotz manch kritischer Beurteilungen - etwas "Gouvernementales". Eine Eigenschaft, die in dem Werk gelegentlich als eines der Kennzeichen der saarländischen Gesellschaft und Mentalität apostrophiert wird.

Im zweibändigen Hauptteil werden Entwicklungen der zum Bundesland gewordenen Region dargestellt. Die teils turbulenten medienpolitischen Ereignisse um das handstreichartig eingeführte Gesetz, das erstmals in Deutschland private Rundfunkveranstaltungen erlaubte, zu denen es dann erst sehr viel später gekommen ist, erinnert an italienische Verhältnisse. Ebenso die inzwischen zurückgenommene "Lex Lafontaine" mit ihrer die Pressefreiheit in ihren Grundfesten tangierenden Regelung umfassenden Anspruchs auf Gegendarstellung. Die Fragwürdigkeit des überragenden Einflusses der Parteien auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird auch an Ereignissen um den SR thematisiert.

Der Hauptteil der den Printmedien gewidmeten Beiträge gilt der SZ, ihrer Privatisierung und Eingliederung in die Holtzbrinck-Holding und ihrer Stellung als Monopolzeitung. Die verschiedenen, sämtlich als gescheitert anzusehenden Versuche, neben der SZ andere Printmedien im Saarland zu platzieren, werden quellengestützt untersucht. Verschiedene Beiträge problematisieren die über Jahrzehnte andauernde Allein-Stellung der Zeitung. Interessant sind die Texte über die Veränderung des Berufsbildes der Journalisten in beiden Saar-Leitmedien und vier Beiträge über die Behandlung von "Randgruppen" der Gesellschaft. Die Strategien der Regionalisierung, beim Rundfunk in seinem Sendeauftrag angelegt, bei der SZ eigener journalistischer und marktwirtschaftlicher Entscheidung entsprungen, werden nachvollziehbar dargestellt. Dem ganzen Werk fehlen aber betriebswirtschaftliche Untersuchungen über Hörer-, Zuschauer- und Leserentwicklungen, über Umfang und Struktur von Werbeeinnahmen, Vertriebskosten und Einflüsse, die Rentabilitätsüberlegungen auf inhaltliche und formale Strategien in dieser Medienlandschaft haben.

Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna (Hrsg.): Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart. Oldenbourg Verlag, 3 Bde., 1529 S., 49,80 €

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