15000 Gewerkschafter protestieren gegen höhere Wochenarbeitszeit

Straßburg. Gegen eine Anhebung der Arbeitszeit auf 65 Stunden pro Woche und für stärkere Rechte von Betriebsräten in europäisch agierenden Unternehmen haben gestern in Straßburg rund 15000 Gewerkschafter demonstriert

Straßburg. Gegen eine Anhebung der Arbeitszeit auf 65 Stunden pro Woche und für stärkere Rechte von Betriebsräten in europäisch agierenden Unternehmen haben gestern in Straßburg rund 15000 Gewerkschafter demonstriert. Mit von der Partie waren unter anderem die polnische Solidarnosc, britische Gewerkschaften, alle französischen Arbeitnehmer-Organisationen sowie von deutscher Seite der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Einzelgewerkschaften, allen voran die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Vom Saarland aus hatte der DGB rund 300 Teilnehmer ins Elsass geschickt. Die Demonstration fand im Hinblick auf die Arbeitszeit- und auf die Betriebsräterichtlinie statt, über die das EU-Parlament wahrscheinlich am heutigen Mittwoch abstimmen wird. Nach der Vorstellung von EU-Kommission und Ministerrat soll es möglich sein, die Arbeitszeit pro Woche auf 60 Stunden und unter Einrechnung von Bereitschaftsdiensten auf insgesamt 65 Stunden anzuheben. Die sozialdemokratische Fraktion hat eine Begrenzung auf eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden verlangt. Hinter dieser Forderung stehen auch die Gewerkschaften.Mit der Betriebsräterichtlinie, über die ebenfalls heute abgestimmt wird, sollen die Mitwirkungsrechte in den internationalen europäischen Konzernen gestärkt werden. Außerdem soll die Grenze von 5000 Beschäftigten, ab der bisher überhaupt erst europäische Betriebsräte gebildet werden müssen, deutlich sinken. Falls die Arbeitszeit-Richtlinie nicht vom Parlament zurückgewiesen wird, wollen die Gewerkschafter weiter mobilisieren. "Fortsetzung folgt", kündigte der Chef des DGB Saar, Eugen Roth, am Rande der Demonstration an. Falls es wirklich zu einer Erhöhung der Arbeitszeit kommen sollte, "dann entfaltet das einen miserablen Druck auf die Tarifverträge", meinte Roth und wies auf Branchen hin, in denen keine tarifvertragliche Bindung existiert: "Da kriegen die Beschäftigten erhebliche Probleme." Außerdem gehe es darum, dass Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit und nicht als Freizeit anerkannt werden. Roth: "Freizeit besteht nur, wenn der Arbeitnehmer über die Zeit verfügen kann, wie er will. Im Bereitschaftsdienst geht das nicht. Davon kann ich beim Rückblick auf meine frühere Dienstzeit bei der Polizei ein Lied singen." Auch an der Notwendigkeit einer besseren Betriebsräterichtlinie gibt es für Roth keine Zweifel: "Seit dem Fall Nokia wissen wir, dass die Beschäftigten solcher Konzerne wie bloße Nummern hin und her geschoben werden." Auch der saarländische Verdi-Vorsitzende Alfred Staudt hofft, dass die Arbeitszeit nicht auf über 60 Stunden erhöht wird. Bei der bereits herrschenden Arbeitsverdichtung würden dann "immer mehr psychisch Kranke produziert". gf

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