100 Jahre und kein bisschen leise

Saarbrücken. Ja, da kommt schon was zusammen, will man wie Generalintendantin Dagmar Schlingmann wirklich jeden Würdenträger begrüßen. Klar, die Ministerpräsidentin und den amtierenden Kulturminister Ulrich Commerçon, der trotz lädiertem Arm wacker einhändig schenkelklopfend dem Staatsorchester Beifall zollte

Saarbrücken. Ja, da kommt schon was zusammen, will man wie Generalintendantin Dagmar Schlingmann wirklich jeden Würdenträger begrüßen. Klar, die Ministerpräsidentin und den amtierenden Kulturminister Ulrich Commerçon, der trotz lädiertem Arm wacker einhändig schenkelklopfend dem Staatsorchester Beifall zollte. Aber auch fünf (!) gewesene Kulturminister des Landes - Breitenbach, Wittling, Schreier, Rauber und dazu Annegret Kramp-Karrenbauer gestern quasi in einer Doppelrolle im Großen Haus. Dazu etliche Präsidenten sowie General-, Musik- und Direktoren ohne jeden Vorsatz. Man mag das bei einem Festakt wie diesem als Pflichtübung sehen, durchaus. Doch ist es eben auch ein Zeichen der Wertschätzung, die dieses Orchester hier genießt - die Intendantin unterstrich's wohl mit Bedacht.Darin stimmte auch Annegret Kramp-Karrenbauer ein. Just an einem Tag wie diesem, da Griechenland nicht bloß über sein Parlament befinde, sondern sich auch weisen werde, wie es in der EU weitergeht, müsse man sich bewusst machen, dass Europa mehr ist als ein Wirtschaftsraum, die Kultur dieses Europa länger schon verbinde. Eine "Kultur-Institution" wie das Staatsorchester sei darum kein Luxus, sondern Notwendigkeit. So stehe sie für den Erhalt des Theaters als Dreispartenhaus wie auch des Staatsorchesters. Ein Bekenntnis der Regierungschefin, dass man gerade ob der Schuldenbremse-Nöte gerne hörte.

Noch viele gute Wünsche reihten sich, etwa von Rolf Bolwin (Deutscher Bühnenverein) und dem Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, Gerald Mertens. Die aber auch mahnten, ein Orchester brauche neben Wertschätzung eben auch Geld. Aber es fielen auch sehr persönliche Worte, die Hermann Kronz zukamen. Der ist nicht nur langjähriger Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbandes und noch langjähriger Theaterbeirats-Kopf und Förderer des Hauses - in gewisser Weise ist er auch selbst Bühnenmensch. Schließlich sang er bereits als Knabe in einer Theaterproduktion mit. Als "Zeitzeuge" ließ er da die ersten Theaterjahre nach Kriegsende Revue passieren, mit "339 Aufführungen" in einer Spielzeit. Kronz erinnerte auch an große Namen, die sich mit der Saarbrücker Bühne verbinden - von Catarina Ligendza über Siegmund Nimsgern bis Jonas Kaufmann. Recht so, vergisst man hier doch schon mal, welchen Stellenwert das Theater und sein Orchester eben nicht nur im Saarland haben.

Der eigentliche Festredner Konrad Beikircher ließ sich vor allem auf die erste Hälfte des Staatsorchester-Jahrhunderts ein. Ein halbes Stündchen vergnügliche wie gewichtige Musikgeschichte. Weil der Kabarettist etwa aufzeigte, wie Saarbrücken mit seinem Orchester in der Zeit zwischen den Kriegen ein Ort zeitgenössischer Musik war. Vor allem dank des damaligen Generalmusikdirektors Felix Lederer, der Hindemith, Milhaud und Korngold spielen ließ. Lederer - er war ein Motor des hiesigen Kulturlebens, bis er als Jude nicht mehr auftreten durfte.

Prickelnd war diese Lobrede, spumante halt, wie Beikircher seinen heiteren Konzertführer überschreibt. Und er war auch ein Laudator nach Maß, schaut man, wie das Orchester feierte. Der Musik und seiner Tradition verpflichtet, aber auch so, als seien Musiker und Publikum eine Familie. Darum gab's im Anschluss an den Festakt gleich noch ein Orchesterfest für jedermann, bei dem man auch über verborgene Orchestertalente von Jazz bis Alphorn staunen konnte.

Und der Jubilar selbst? Der bewies auf der Bühne, warum er so viele Freunde hat: mit leuchtenden Farben bei Ravel, einem Champagner-perlenden Strauß und einer furiosen "Tannhäuser"-Ouvertüre. Daneben spielte man übrigens noch die "Zauberflöten"-Ouvertüre. Also kurz gesagt: zwei Anfangsstücke. Sollte das Zeichen sein, waren die 100 Jahre nun wohl erst der Auftakt.

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