Azubis verzweifelt gesucht

Saarbrücken/Berlin · Zehntausende Ausbildungsplätze in Deutschland bleiben in diesem Jahr unbesetzt. Nicht nur die demografische Entwicklung macht sich dabei bemerkbar, sondern auch der anhaltende Trend zum Studium.

 Auszubildende werden in Deutschland rar. Das gilt übergreifend für alle Branchen – auch in der Küche. Symbolfoto: Roessler/dpa

Auszubildende werden in Deutschland rar. Das gilt übergreifend für alle Branchen – auch in der Küche. Symbolfoto: Roessler/dpa

Es gibt auch eine gute Nachricht: Die saarländische Industrie- und Handelskammer (IHK) hat bis 1. Juni 1471 neue Ausbildungsverträge erfasst - beinahe neun Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Zwischenergebnis, das die Saar-IHK als Beleg dafür anführt, dass sich die Unternehmen früher und intensiver um ihren Nachwuchs bemühen: "Viele Unternehmen spüren den Fachkräftemangel bereits deutlich", sagt IHK-Präsident Richard Weber . "Deshalb versuchen sie, für ihre offenen Lehrstellen möglichst frühzeitig geeignete Bewerber zu finden und Ausbildungsverträge abzuschließen." Auch die Handwerkskammer meldet mit 634 abgeschlossenen Lehrverträgen ein Plus von 3,6 Prozent.

Trotzdem werden auch im Saarland viele Lehrstellen zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres unbesetzt bleiben. Der Deutsche Industrie- und Handelskammer-Tag (DIHK) hat in einer deutschlandweiten Umfrage eine niederschmetternde Bilanz gezogen: Trotz Zugeständnissen bei der Einstellung kann demnach fast jeder dritte Betrieb in Deutschland nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Deutschlandweit waren dies im vergangenen Jahr 31 Prozent, im Osten sogar 45 Prozent. "Die Lage war für die Unternehmen noch nie so dramatisch wie jetzt", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Auch im Saarland sei das so, bestätigt die Saar-IHK.

Zwar konnten im Vorjahr mit 32 Prozent noch etwas mehr Ausbildungsbetriebe nicht alle Plätze besetzen. Doch lag die leichte Verbesserung laut DIHK auch daran, dass viele Betriebe mangels Azubis ihren Status als Ausbildungsbetrieb verlieren. Rund 14 000 Unternehmen fanden 2015 gar keine Auszubildenden.

Hauptgrund für die wachsenden Lücken sei der Mangel an geeigneten Bewerbern, obwohl drei von vier Betrieben auch lernschwächere Jugendliche einstellten. Schweitzer warf den Schulen vor, für mangelnde Deutsch- und Mathekenntnisse vieler Jugendlicher verantwortlich zu sein. Immer mehr Firmen - rund jede zweite - klagen laut der Umfrage darüber.

Insgesamt bewerben sich rund laut Schweitzer rund sieben Prozent weniger junge Menschen um eine Ausbildung als vor zehn Jahren. "Gleichzeitig studieren rund 40 Prozent mehr", sagte er. Angesichts schrumpfender Schulabgänger-Jahrgänge müssten sich auch Gymnasien noch stärker in der Berufsorientierung engagieren.

Sowohl die Handwerkskammer (HWK) wie auch die IHK beklagen seit Längeren diesen Trend zur Akademisierung. Allerdings würde sich das Werben für die duale Ausbildung in den aktuellen Bewerberzahlen auszahlen, bilanziert die Saar-IHK. Trotz rückläufiger Schülerzahlen sei die Zahl der Lehrstellenbewerber um 4,7 Prozent gestiegen, teilte die Kammer mit. "Offensichtlich trägt unsere Informationsoffensive für die duale Ausbildung erste Früchte", sagt Weber.

Nach Aussagen der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit suchen im Saarland aktuell rund 2200 junge Menschen eine Ausbildungsstelle über die Arbeitsagenturen. Gleichzeitig seien 2900 offene Ausbildungsstellen gelistet.

Meinung:

Firmen müssen sich öffnen

Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläger

Wenn Unternehmen heute ihre Lehrstellen nicht besetzen können, müssen sie sich auch ein wenig an die eigene Nase fassen. Denn in vielen Firmen gilt noch immer, dass Bewerbungen automatisch zu kommen haben. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus. Die Unternehmen müssen sich attraktiv machen, müssen förmlich um Mitarbeiter buhlen. Dafür müssen sie öffentlich zeigen, was sie machen, welche Arbeitsbedingungen sie bieten und wie sie sich positiv von den anderen Firmen abheben.

Letztlich muss in den Unternehmen ein Kulturwandel stattfinden. Wer sich nicht öffnet, sondern weiter im Verborgenen wirkt, wird künftig kaum noch Chancen auf gute Auszubildende haben.

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