75 Jahre Leidenschaft

Saarbrücken · Auch mit 75 ist August-Wilhelm Scheer ein gefragter Mann. Ob im neuen Rat der Ministerpräsidentin für digitale Herausforderungen, als Unternehmer oder Experte für Bildung in der Informationstechnologie (IT), die den Schwerpunkt des IT-Gipfels Ende des Jahres bilden soll.

 Neben dem Unternehmertum spielt die Musik für Scheer eine wichtige Rolle.

Neben dem Unternehmertum spielt die Musik für Scheer eine wichtige Rolle.

Foto: Jean Laffitau

Am heutigen Geburtstag ist er mal eben weg: einmal für sich sein. Das kann ein Geschenk sein. Doch rasten kommt für den immer noch quirligen Wissenschaftler, Unternehmer und früheren Bitkom-Chef August-Wilhelm Scheer auch mit 75 nicht in Frage. Dafür sind ihm die jüngsten Herausforderungen der Digitalisierung auf das tägliche Leben viel zu spannend. Er will weiter mitmischen. "Ich brauche die täglichen Anregungen. Rente mit 63 ist nichts für mich, meint mein Arzt", sagt Scheer, der sich täglich mit Laufen und immer wieder mit einer weiteren Leidenschaft fit hält: der Musik. Im August stehen für den begeisterten Saxophonisten sechs Konzerte an: diesmal in Krakau.

Seine Leidenschaft für das Unternehmertum entdeckt August-Wilhelm Scheer schon in frühen Jahren daheim am Mittagstisch mit seinen Eltern. "Sie waren selbstständige Geschäftsleute. Und wenn sie darüber sprachen, wie man auf ein schlechtes Saisongeschäft reagieren muss, dann habe ich ganz genau hingehört. Solche Fragen des Risikos war ich ebenso gewohnt wie die Freiheit, gestalten und auch einfach mal einen schönen Tag genießen zu können. Ich glaube schon, dass ich das Gen zum Unternehmer in mir trage", sagt Scheer im Rückblick. Etwas bewegen zu können, Ideen an den Start zu bringen und ihren Markterfolg zu erkämpfen, das treibt ihn an. "Ich bin mit meinem Leben zufrieden, mit der Dynamik, die es hat. Mir gefällt es, Spuren zu hinterlassen und etwas zu bewegen." Das macht er jetzt mit den acht Unternehmen seiner Scheer Holding, die 1000 Mitarbeiter umfasst.

Mit Bundesministerin Johanna Wanka bereitet er das Thema Bildung des IT-Gipfels im Saarland vor. Gerade hat ihn Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer in den neuen Digitalisierungsrat berufen, in dem Persönlichkeiten darüber nachdenken sollen, wie man neue Technologien und Ideen vom Saarland aus treiben kann, um einen Wettbewerbsvorsprung zu erreichen und neue Unternehmen anzulocken. Doch Scheer wünscht sich auch von möglichst vielen saarländischen Hochschulabsolventen, dass sie ihre Chance in einer Unternehmensgründung suchen. Die Landesregierung solle hier nicht nur mit Geld helfen, vielmehr mit professionellem Rat unterstützen und bei der Suche nach den ersten Kunden helfen; auch als Auftraggeber. Der erste Kunde sei immer der schwerste. Die Idee mache bei der Gründung aber nur rund zehn Prozent des Erfolges aus. Das Anstrengendste und Wichtigste seien ihre praktische Umsetzung und eine intensive Kundenbindung. "Ich kenne heute noch die Mitarbeiter unserer ersten Kunden, mit denen wir vor 25 Jahren bei der Entwicklung unseres Softwareproduktes Aris zusammengearbeitet haben. Die Personen waren eng in unsere Produktentwicklung eingebunden und haben uns ständig gefordert. Das bringt einen auch persönlich weiter", sagt Scheer.

Mit am meisten fasziniert ihn das rasante Tempo, mit dem sich Branchen wandeln. Alle deutschen Autoproduzenten veränderten sich vom reinen Hersteller zum Anbieter zahlreicher digitaler Dienstleistungen im Fahrzeug. Sie würden immer mehr zu modernen Unternehmen der Informationstechnologie. Der Autofahrer bekomme schon in naher Zukunft bei einem spontan georderten Mietwagen alle auf ihn zugeschnittenen digitalen Dienstleistungen. "Der Fahrkomfort und alle Informationen, die ich haben will, werden komplett auf mich und meine Bedürfnisse zugeschnitten sein und über das Smartphone beim Einsteigen automatisch eingestellt: von den Spiegeln über die Sitze bis hin zur Verfügbarkeit all meiner Daten. Ich kann im Internet surfen und das Auto kennt automatisch meine Lieblingsstrecken." Solche Möglichkeiten faszinieren Scheer. Er hofft, dass solche Entwicklungen auch stärker aus dem Saarland kommen.

Am Samstag veranstalten die Schüler des früheren Uni-Professors Scheer ihm zu Ehren ein Festkolloquium mit über 200 Teilnehmern.

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