Fleischer sehen regionale Vielfalt in Gefahr

Saarbrücken · Kanzleramtsminister Peter Altmaier forderte gestern auf dem Deutschen Fleischer-Verbandstag die Branche auf, die Digitalisierung für neue Möglichkeiten zu nutzen, um Produkte auch nach Ladenschluss auszuliefern.

 Frische und Regionalität der Produkte sieht der Präsident des Deutschen Fleischerverbandes, Heinz-Werner Süss, als große Qualitätsvorteile der Fleischer und Metzger an. Auf dem Verbandstag in Saarbrücken gab es zur Mittagspause Hirschgulasch mit Nudeln. Süss trägt die Amtskette des Verbandes, eine Tradition, die bis in das Jahr 1870 zurückgeht. Foto: Oliver Dietze

Frische und Regionalität der Produkte sieht der Präsident des Deutschen Fleischerverbandes, Heinz-Werner Süss, als große Qualitätsvorteile der Fleischer und Metzger an. Auf dem Verbandstag in Saarbrücken gab es zur Mittagspause Hirschgulasch mit Nudeln. Süss trägt die Amtskette des Verbandes, eine Tradition, die bis in das Jahr 1870 zurückgeht. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Für Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU ), einen Mann nicht nur mit politischem Gewicht, reichen die positiven Erinnerungen an Fleischer und Metzger zurück bis in die jüngste Kindheit. "Wegen des Stücks Lyoner für den Knirps", verriet Altmaier gestern auf dem Deutschen Fleischer-Verbandstag in Saarbrücken . Dies habe sogar noch größer ausfallen können, wenn der Chef persönlich hinter der Theke stand. Kleine Geste - große Wirkung: zugleich ein geniales Stück Marketing, das Kinder bis heute genießen können.

Fleischer, Metzger und Bäcker hätten es trotz aller Widrigkeiten in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder vermocht, sich mit neuen Produkten und deren Frische gegen Konkurrenten durchzusetzen. Und so empfahl Altmaier dem deutschen Fleischerhandwerk mit seinen 13 158 eigenständigen Meisterbetrieben und 8941 weiteren Verkaufsstellen, die Chancen der Digitalisierung offensiv zu nutzen. So wundere er selbst sich immer wieder darüber, dass er zu später Stunde zuhause zwar sein Hobby pflegen und auch im Internet bestellte alte Bücher lesen könne, nicht aber ein gutes Steak dazu genießen könne, das eine Fleischerei oder Metzgerei im Internet-Zeitalter ja auch am späteren Abend genauso liefern könne, wie es für einen Pizza-Dienst selbstverständlich ist.

Fleischer-Präsident Heinz-Werner Süss griff die Idee als bedenkenswert auf. Allerdings müsse sich das für den Betrieb auch rechnen und die Region groß genug sein. Metzgereien stellten sich längst auf neue Trends ein, böten etwa in der Filiale auch "Essen to go" an oder Dosen mit frischen Fertiggerichten zum Nachkochen. Süss sieht jedoch die regionale Vielfalt der Produkte zunehmend in Gefahr, auch durch die Politik der Bundesregierung. Der Präsident äußerte scharfe Kritik an der Haltung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ), per Ministererlaubnis die Fusion von Kaiser's Tengelmann mit Edeka zu ermöglichen. "Bei allem Respekt, auch ein Minister sollte sich das nicht erlauben. Einerseits wird die Bedeutung von Handwerk und Mittelstand gepredigt und andererseits eine Politik gemacht, die Mega-Konzernen immer mehr Vorteile verschafft." Regionale Produkte würden so noch weiter zurückgedrängt.

Süss kritisierte auch die Gebühren-Praxis. "Die vorgeschriebene Untersuchung von Schlachttieren kostet im kleinen Schlachtbetrieb pro Tier das Vielfache von dem, was ein Mega-Schlachthof bezahlt." Auch die Untersuchungen des Amtsarztes seien überall der gleiche Vorgang, aber "alleine die Tatsache, dass im Großbetrieb mehr Tiere untersucht werden, rechtfertigt noch nicht den gewaltigen Preisvorteil". Insgesamt erwirtschafteten die deutschen Fleischer mit derzeit 143 100 Beschäftigten zuletzt 16,1 Milliarden Euro.

Meinung:

Auf mehr Qualität setzen

Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

Familien mit Kindern und viele andere, die sehr genau kalkulieren müssen, sind häufig schon aus Preisgründen gezwungen, beim Discounter einzukaufen - inklusive abgepackter Fleisch- und Wurstwaren. Will man mehr heimische, frische Produkte auch beim Discounter , müsste der Druck der regionalen Erzeuger auf die Handelsriesen erhöht werden. Letztere nutzen jedoch ihre Marktmacht und diktieren auch den Lieferanten die Preise. Selbst Appelle von Kunden, mehr Regionales anzubieten, werden wenig helfen. Eine wirkungsvolle Alternative für kostenbewusste Verbraucher könnte sein, weniger Fleisch zu essen, dafür aber von einer höherwertigen Qualität, die dann beim Metzger auch etwas mehr kosten darf. Das könnte zudem auch der Gesundheit nutzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort