Wenn das Bauteil aus dem Drucker kommt

München · Autos oder eine Pizza aus dem Drucker – bei solchen Visionen winken Experten ab. Individuelle Produkte wie Hörgeräte oder Zahnkronen jedoch lassen sich mit dieser Technik perfekt herstellen.

 Komplexeste Bauformen bei wenig Gewicht: Die neue Drucktechnik eröffnet der Industrie ungeahnte Möglichkeiten. Foto: Platz/dpa

Komplexeste Bauformen bei wenig Gewicht: Die neue Drucktechnik eröffnet der Industrie ungeahnte Möglichkeiten. Foto: Platz/dpa

Foto: Platz/dpa

Hinter der Glasscheibe wandert der Laser über das Metallpulver. Immer wieder fährt ein Balken über die Schicht, verteilt das Pulver, während sich die Trägerplatte unmerklich nach unten bewegt. Nach und nach entsteht so - aus hauchdünnen Schichten - ein Bauteil. Ob aus Kunststoff, Metall oder Keramik - mittels 3D-Druck lassen sich heute komplexe Bauteile herstellen, die sich mit konventioneller Technik kaum fertig lassen.

Schon heute stammen Hörgeräte und Zahnersatz häufig aus 3D-Druckern. Die Technik steckt aber auch in Siemens-Gasturbinen, MTU-Flugzeugtriebwerken - und sogar im Rolls-Royce : Seit Jahren werden Halterungen für Warnblinker, Parkbremse und Steckdose in der Luxuslimousine serienmäßig im 3D-Drucker gefertigt und zwischen Wurzelholz und Ledersitzen verbaut.

Der Rolls-Royce-Mutterkonzern BMW hat inzwischen viele Werke mit den Maschinen ausgerüstet. Wenn in den USA oder China dringend ein Bauteil gebraucht wird, kommt es schneller und billiger aus dem Drucker. Vor allem bei komplexen Bauteilen in kleinen Stückzahlen lohnt sich der Einsatz: Es müssen keine Gussformen und Werkzeuge mehr hergestellt werden, und auch das mühsame und materialaufwendige Bohren und Fräsen entfällt.

"Ein 3D-gedrucktes Auto wird es auch in 20 Jahren nicht geben", sagt BMW-Bereichsleiter Udo Hänle von der Konzernforschung in München . Aber in einem Prototypen stammen gut 3000 Teile aus dem 3D-Drucker . Auch selten gebrauchte Ersatzteile für einen Oldtimer können bei Bedarf gedruckt werden.

Deutsche Unternehmen sind führend beim Einsatz von 3D-Druckern, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung EY. Mit so gefertigten Produkten werde in Deutschland heute schon fast eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr erzielt, weltweit zehn Milliarden, sagt Berater Andreas Müller . EY befragte in Deutschland rund 200 Unternehmen aus Branchen, die grundsätzlich mit 3D-Druck arbeiten könnten. Davon nutzten 37 Prozent die neue Technik. In China und Südkorea waren es 24 Prozent der dort befragten Unternehmen, in den USA 16.

Viele mittelständische Firmen seien allerdings skeptisch wegen der hohen Anschaffungskosten für 3D-Druckmaschinen und des notwendigen Know-hows, sagt Unternehmensberater Müller. Die Maschinen von der Größe eines Kleiderschranks kosten immerhin bis zu zwei Millionen Euro.

Beim 3D-Druck wird das pulverförmige Material mit Hilfe von Lasern oder Infrarotlicht Korn für Korn, Schicht für Schicht verschmolzen. Die Schichten sind nur hundertstel Millimeter dick. Das Verfahren ermöglicht völlig neue, Gewicht sparende Wabenstrukturen, die mit herkömmlichen Techniken unmöglich wären - leichte, stabile Formen mit Hohlräumen, die durch Bohren oder Spritzguss gar nicht hergestellt werden können.

In der Luftfahrt lohnt sich der Einsatz besonders schnell: Jedes Gramm Gewicht weniger spart Treibstoff. Airbus-Chef Tom Enders erwartet, "dass bis 2030 so viele Metallteile durch leichtere Elemente aus 3D-Druckern ersetzt werden können, dass ein Airbus A 350 rund eine Tonne Gewicht einsparen kann". Der Flugzeugbauer stellt so schon doppelwandige Benzinrohre aus Titan selbst her und testet jetzt 3D-gedruckte Kabinenwände.

Sehr gebräuchlich ist 3D-Druck auch schon in der Medizintechnik. "Alle Hörgerätehersteller arbeiten heute damit", sagt Müller. Auch Zahnlabore nutzen die Technik immer mehr. "Auf unseren Maschinen entsteht jährlich Zahnersatz für fünf Millionen Patienten", sagt Güngör Karas vom 3D-Druckmaschinenbauer Eos in Krailling bei München .

Aber die Technik hat Grenzen. Markus Safaricz vom Hightech-Industrieverband Spectaris nennt ein Beispiel: Für OP-Instrumente wie Schläuche und Endoskope sei die Oberfläche von 3D-Produkten zu körnig und rau. Das Schleifen und Polieren der Innenflächen sei schwierig.

Eos-Manager Karas nennt ein anderes Beispiel: Lebensmittel zu drucken, ist für ihn einfach eine absurde Vorstellung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort