Sir Simon und die „Planeten von Türkis“

Luxemburg · Simon Rattle, der scheidende Chef der Berliner Philharmoniker, hat sich am Montagabend in der vollbesetzten Luxemburger Philharmonie mit seinem künftigen Ensemble vorgestellt: dem London Symphony Orchestra.

 Sir Simon Rattle inmitten der Musiker des London Symphony Orchestra. Foto: Sébastien Grébille / Philharmonie

Sir Simon Rattle inmitten der Musiker des London Symphony Orchestra. Foto: Sébastien Grébille / Philharmonie

Foto: Sébastien Grébille / Philharmonie

Mit "Couleurs de la Cité Céleste" (Farben der himmlischen Stadt) von Olivier Messiaen beginnt Rattle das Konzert - ein Stück, das ein bekanntes Problem mit diesem Komponisten deutlich macht: die Überfrachtung seiner Werke mit außermusikalischen Motiven. "Flammend und unsichtbar" sollte dieses Stück sein "wie die farbenprächtige Rosette einer mittelalterlichen Kathedrale"; "blau-orangene Lavaströme" und "Planeten von Türkis" sah er vor sich und zitierte Texte aus der Apokalypse. Und was von all dem hört der naive Konzertbesucher? Schneidend dissonante Bläserakkorde, grelle Schlagzeug-Staccati, mystische Gongs, Klavierkaskaden und atonale Choralfragmente. Doch seltsam: Wenn die drei Xylophone so schlafwandlerisch synchron spielen wie hier, wenn die Bläsermischungen so farbig gelingen, ein Pianist wie Pierre-Laurent Aimard die schwierige Klavierpartie so virtuos meistert und die häufigen Generalpausen so spannungsgeladen realisiert werden, dann erliegt der Hörer jener Suggestion, die Messiaen eigen ist. Bemerkenswert, wie sicher das mit Zeitgenössischer Musik vertraute Orchester mit dem Stück fertig wird, während Simon Rattle sich nicht von der Partitur lösen kann.

Das ändert sich auf seinem vertrauteren Terrain, bei Bruckners 8. Sinfonie. Zunächst irritiert die Orchesteraufstellung: Celli links, Hörner rechts, Pauke rechts außen. Doch die Kontrabässe nebeneinander an der Rückfront bewirken einen phantastischen Orgeleffekt. Nun kann man alle Register dieses Ensembles studieren, das als bestes in England bewertet wird, vor allem den üppigen Streicherklang, die homogenen Bläsersätze und das disziplinierte Zusammenspiel. Wobei man überrascht auch kleine Schwächen konstatiert, die Rattle von seinen Berlinern nicht kennt. Insgesamt jedoch ein Meisterinstrument, mit dem er, das Riesenwerk auswendig und mit sparsamen Gesten dirigierend, in allen Facetten musizieren kann. Als er im Adagio aus einem geisterhaften Pianissimo heraus eine lange Steigerung auf den Gipfel führte, da "flammt" jenes Kirchenfenster auf, von dem Messiaen geträumt hatte, und der Sinn dieser Konfrontation mit Bruckner wird erkennbar. Beifall und stehende Ovationen für Dirigent und Orchester.

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