Richter-Segen für die Euro-Rettung

Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht hat der EZB grundsätzlich zugestanden, Papiere von maroden Euro-Staaten aufkaufen zu können. Doch die Richter haben der Zentralbank auch Grenzen aufgezeigt.

Zwei Tage vor dem Brexit-Referendum hat die Europäische Zentralbank (EZB) grundsätzlich Rückendeckung aus Karlsruhe für ihren Anti-Krisenkurs bekommen: Das Bundesverfassungsgericht gab einem zentralen Baustein der Euro-Rettung seinen Segen - setzte aber Grenzen. Die Richter billigten gestern im Grundsatz, dass die EZB einzelne Eurostaaten im Notfall gezielt durch Staatsanleihenkäufe in großem Stil stützt. Damit dürfte sich die Bundesbank an solchen Maßnahmen beteiligen.

EU-Kommission und Bundesregierung begrüßten die Entscheidung zum sogenannten OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") aus dem Sommer 2012, das bislang nie zum Einsatz kam. Die EZB sieht sich bestärkt: "Das Urteil bestätigt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass das OMT-Programm mit EU-Recht vereinbar ist und in unser Mandat fällt", sagte Notenbank-Präsident Mario Draghi .

Kritiker werfen der Notenbank dennoch vor, sie habe mit dem OMT-Beschluss ihre Kompetenzen überschritten: Über Anleihenkäufe finanziere die EZB letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse.

Anleger reagierten gelassen auf das Urteil. Allerdings zog das oberste deutsche Gericht Leitplanken ein. Die EZB muss sich an bestimmte Regeln halten. Bundestag und Bundesregierung müssen das dauerhaft überwachen und wenn notwendig einschreiten. Die deutschen Verfassungshüter schlossen sich damit in wesentlichen Punkten einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Sommer 2015 an. Der Senat habe zwar weiterhin Bedenken, sehe sich aber an die Luxemburger Rechtsprechung gebunden, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe .

Mehrere Klagen gegen das OMT-Programm sind damit formal gescheitert. Die Kläger hatten der Notenbank vorgeworfen, ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Unstrittig ist jedoch, dass allein die Ankündigung der Währungshüter auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise die Finanzmärkte beruhigte.

Umstritten war, ob die EZB eigenmächtig Risiken für den Steuerzahler eingehen und direkt in nationale Haushalte eingreifen durfte. Die Verfassungsrichter hatten Anfang 2014 schwerwiegende Bedenken geäußert, vorab aber den EuGH entscheiden lassen. Der Luxemburger Gerichtshof sah in dem Beschluss keinen Verstoß gegen EU-Recht. Auf dieser Grundlage fiel nun das endgültige Urteil.

Damit erlauben die Karlsruher Richter der Bundesbank als größtem EZB-Anteilseigner die Teilnahme an OMT-Anleihenkäufen unter bestimmten Bedingungen. Zum Beispiel dürften solche Käufe nicht vorab angekündigt werden. Ihr Volumen müsste im Voraus begrenzt sein.

Bundesregierung und Bundestag verpflichtet der Richterspruch, die Umsetzung des Programms dauerhaft zu überwachen und bei Verstößen einzugreifen. Dabei muss die Politik auch darauf achten, ob gekaufte Anleihen später noch zu einem Risiko für den Bundeshaushalt werden.

 Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle (links) verkündete gestern das Urteil (rechts Richter Herbert Landau). Foto: deck/dpa

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle (links) verkündete gestern das Urteil (rechts Richter Herbert Landau). Foto: deck/dpa

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Geklagt hatten unter anderen der frühere CSU-Vize Peter Gauweiler , der Verein "Mehr Demokratie" mit Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD ) und die Linksfraktion im Bundestag. "Ich bin zufrieden, weil Auflagen erteilt worden sind, die es vorher nicht gab", sagte Gregor Gysi , Ex-Fraktionschef der Linken im Bundestag.

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