Handwerk findet seltener Nachwuchskräfte

Frankfurt · Immer mehr junge Frauen beginnen eine Ausbildung in Berufen, die früher als klassische Männerberufe galten. Generell bei Jugendlichen unbeliebt sind Berufe im Lebensmittelhandwerk und in der Gastronomie.

 Im Einzelhandel wollen viele arbeiten. Er bietet Abwechslung und gute Karriere-Perspektiven. Foto: dpa

Im Einzelhandel wollen viele arbeiten. Er bietet Abwechslung und gute Karriere-Perspektiven. Foto: dpa

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Auf dem deutschen Ausbildungsmarkt knirscht es inzwischen recht laut: Angebot und Bewerber passen trotz boomender Wirtschaft immer schlechter zusammen, so dass im vergangenen Jahr 41 000 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben sind und gleichzeitig fast 81 000 junge Leute nicht die gewünschte Lehrstelle gefunden haben. Vor allem einzelne Handwerkssparten tun sich immer schwerer, noch geeigneten Nachwuchs zu finden. Neben der allgemeinen demografischen Entwicklung und der zunehmenden Studierlust ist es Teil des Problems, dass sich die Bewerber immer noch auf eine sehr enge Auswahl möglicher Berufe konzentrieren.

Bürokaufleute, Kfz-Mechatroniker und Einzelhandelskaufleute sind die ewigen Spitzenreiter in der Hitliste der Ausbildungsberufe des Statistische Bundesamts. Das hat erst einmal viel mit dem Angebot zu tun, das auch in wirtschaftlich schwächeren Regionen immer noch Autowerkstätten und Handelsunternehmen mit Ausbildungsstellen bereithält.

Aber gerade bei jungen Frauen sehen Experten immer noch eine eigentlich nicht gerechtfertigte Konzentration auf Berufe mit vergleichsweise geringen Verdienstmöglichkeiten, wie Friseurin, Verkäuferin oder medizinische Fachangestellte. Weit über die Hälfte aller Lehrverträge junger Frauen (56 Prozent) konzentrieren sich laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf die zehn beliebtesten Berufe . Bei den Jungen ist die Verteilung sehr viel breiter.

Aber es bewegt sich was: In immerhin 80 von 105 vom BIBB untersuchten "Männerberufen" ist der Anteil weiblicher Auszubildender in den letzten zwölf Jahren gestiegen. Am stärksten war diese Entwicklung bei den Bäckerinnen (2015: 25,9 Prozent Frauen ), den Malerinnen und Lackiererinnen (15,9 Prozent) und Tischlerinnen (12,2 Prozent). Umgekehrt hielten sich junge Männer bei typischen Frauenberufen aber weiterhin deutlich zurück. Das liegt nach Ansicht der Experten auch an den meist unterdurchschnittlichen Vergütungen in diesen Berufen.

Einen immer größeren Bogen machen die Schulabgänger um Berufe im Lebensmittelhandwerk und in der Gastronomie. Die DGB-Jugend hat mit ihrer Initiative "Dr. Azubi" die - meist negativen - Erfahrungen von Auszubildenden gesammelt und kommt im jüngsten Ausbildungsreport für Berufe wie Koch oder Hotelfachfrau zum Schluss: "Probleme wie Arbeitszeiten, Überstunden, die oftmals fachlich ungenügende Anleitung, eine unterdurchschnittliche Ausbildungsvergütung und das Gefühl, ausgenutzt zu werden, bestimmen nach wie vor den Arbeitsalltag."

Die Schulabgänger beraten sich mit ihren Freunden, Familien und vielleicht noch Lehrern. "Etwas mit Medien" und "Etwas mit Tieren" liegen immer noch im Trend. Dabei ist die Vielfalt der Ausbildungsberufe nahezu unüberschaubar, tiefere Informationen wären dringend notwendig. Neben den rund 330 vom BIBB erfassten Ausbildungen in Handwerk , Industrie und Handel gibt es noch dutzende Berufsbilder im Gesundheits- und Pflegebereich sowie bei den Freiberuflern. Berufsperlen wie etwa der Hörakustiker gehen an vielen Bewerbern vorbei.

"Die Angebote des Berufsorientierungsprogramms sollten flächendeckend auch auf die Gymnasien ausgeweitet werden", sagt BIBB-Sprecher Andreas Pieper. Neben einer Studienberatung für die Schüler müsse es dort auch Informationen über die duale Berufsausbildung und spätere Aufstiegsmöglichkeiten geben, die den Weg zu Meister, Techniker oder Fachwirt öffneten. Der Zahl der Erwerbstätigen in Teilzeit nimmt weiter zu: 2015 arbeiteten 3,4 Millionen Menschen in Teilzeit mit mehr als 20 Wochenstunden und damit 5,7 Prozent mehr als im Vorjahr, teilte das Statistische Bundesamt mit. Allein drei Millionen Frauen arbeiteten demnach mehr als halbtags, aber nicht Vollzeit. Einem Job mit bis zu 20 Wochenstunden gingen 4,1 Millionen Frauen nach. Männer arbeiten deutlich seltener in Teilzeit als Frauen .

Vor allem die Teilzeitarbeit war laut Statistikern verantwortlich für das Plus bei den sogenannten Normalarbeitsverhältnissen. Darunter fassen die Statistiker Jobs, die unbefristet und voll sozialversicherungspflichtig sind und mindestens 20 Wochenstunden umfassen. Sie werden zudem direkt für den Arbeitgeber - also nicht etwa in Leiharbeit - ausgeführt. Die Zahl der Menschen mit solchen Arbeitsverhältnissen stieg demnach im vergangenen Jahr um rund 317 000 auf 24,8 Millionen. Allein 184 000 neue Jobs waren in Teilzeit mit mehr als 20 Wochenstunden.

Der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse an allen Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren stieg auf 68,7 Prozent, nach 68,3 Prozent im Vorjahr. 2006 hatte der Anteil bei 65,4 Prozent gelegen. Allerdings legte 2015 auch die Zahl der atypisch Beschäftigten leicht um 28 000 auf 7,5 Millionen zu. 5,3 Millionen Frauen gingen einem solchen Job nach - waren also befristet angestellt, arbeiteten maximal 20 Wochenstunden in Teilzeit, waren geringfügig beschäftigt oder in Zeitarbeit tätig.

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Hintergrund Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge liegt über Vorjahresniveau, teilte die saarländische Industrie- und Handelskammer (IHK) gestern mit. Ende Juni waren bereits 2022 Ausbildungsverträge bei der IHK eingetragen, rund 1,6 Prozent mehr als im Vorjahr. "Dies lässt uns hoffen, dass wir auch in diesem Jahr trotz zurückgehender Bewerberzahl wieder ein gutes Ergebnis im Ausbildungsmarkt erreichen und das Vorjahresergebnis halten werden", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen. Die Kammer erwartet noch viel Bewegung am Ausbildungsmarkt. Die IHK-Lehrstellenbörse verzeichne noch 397 freie Stellen. red

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