Mehr deutsche Sparer scheuen Aktien

Frankfurt · Die Bundesbürger machen Anlageexperten zufolge nur wenig aus ihrem Geld. Ein Grund dafür sei: Die Sparer trauen sich nicht an die Börse.

(dpa) Die Deutschen sind Spar-Weltmeister. Gefühlt zumindest. Tatsächlich sparen die Menschen hierzulande relativ hohe Beträge: im Schnitt fast zehn Euro je 100 Euro verfügbares Einkommen. Doch der Ertrag ist oft mager. Anleger in anderen Ländern machen mehr aus ihrem Geld - trotz geringeren Einsatzes.

1940 Euro legten Privathaushalte in Deutschland nach Berechnungen des Versicherers Allianz in den Jahren 2012 bis 2015 auf die hohe Kante - pro Jahr und pro Kopf, ein Spitzenwert im europäischen Vergleich. Doch während Sparer in Finnland (nur 160 Euro Sparvolumen) ihr Erspartes nach Abzug der Inflation in dem Zeitraum jedes Jahr um 6,9 Prozent mehren konnten, brachten es die Deutschen nur auf 2,3 Prozent Rendite. Nur die Österreicher schnitten im Vergleich von neun Euroländern mit 1,0 Prozent noch schlechter ab. Die Finnen halten etwa ein Drittel ihrer Ersparnisse in Form von Aktien, gut vier Mal so viel wie der Durchschnitts-Deutsche.

Die meisten Deutschen sind Börsenmuffel. Nicht einmal die lange Zinsflaute hat daran etwas geändert. Nur jeder siebte Bundesbürger hält Aktien oder Aktienfonds. Nach einem Zuwachs 2015 sank die Zahl der Aktionäre hierzulande im vergangenen Jahr wieder unter die Neun-Millionen-Marke: Rund 8,98 Millionen zählt das Deutsche Aktieninstitut (DAI).

"Große Teile der Bevölkerung scheinen die Auswirkungen der niedrigen Zinsen auf ihre Sparanlagen noch nicht erkannt zu haben", sagt DAI-Chefin Christine Bortenlänger. "Hinzu kommt, dass die Aktie nach wie vor für viele Menschen eine große mentale Hürde darstellt." Die Allianz kam in ihrer jüngsten weltweiten Vermögensstudie (Global Wealth Report) zum Ergebnis, die Deutschen hätten in den vergangenen vier Jahren rund 200 Milliarden Euro "verschenkt", weil sie sich nicht an die Börse wagten. "Trotz Niedrigst- und Negativzinsen präferiert die Mehrzahl kurzfristige und sehr liquide Anlagen wie Bankeinlagen, deren Rendite bei null liegt", stellt Allianz-Chef Oliver Bäte fest. "Sparen entpuppt sich so bei genauerer Analyse vor allem als Geldparken und nicht als Investieren."

In einer Umfrage der GfK-Marktforscher bewerten nur zwölf Prozent der Deutschen das Sparbuch als attraktiv. Dennoch ist es die mit Abstand beliebteste Anlageform: Im Herbst 2016 hatten 40 Prozent der 2000 Befragten Geld auf einem Sparbuch. Aktien wiederum halten 20 Prozent der Befragten für attraktiv, investiert sind dort aber nur zwölf Prozent.

Der Absturz der "Volksaktie" Telekom und das Platzen der New-Economy-Blase am Neuen Markt um die Jahrtausendwende haben viele Kleinanleger verschreckt. Das Aktieninstitut wirbt für langfristiges Engagement: "Die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass die Sorge vor Verlustrisiken unbegründet ist, wenn man über Zeiträume spricht, die für die Altersvorsorge typisch sind." Und weiter: "Selbst im ungünstigsten Fall ließen sich mit Aktien Sparerfolge erzielen, die weit über den heute üblichen Verzinsungen für Sparbücher und festverzinsliche Wertpapiere liegen." Wer beispielsweise Ende 1995 Aktien kaufte und bis Ende 2010 hielt, habe in diesem Zeitraum im Schnitt 7,8 Prozent Rendite pro Jahr erzielt.

Börsen-Aufsichtsratschef Joachim Faber mahnt: "Aktien sind ein wesentlicher Bestandteil einer Zukunftsvorsorge in einer alternden Gesellschaft." Eine "kleine Nebenbedingung" müsse jedoch erfüllt sein: Wer auf Aktienmärkten investieren wolle, brauche Kapital. Und oft langen Atem.

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