Abgesang auf TTIP

Brüssel · Die Verhandlungen für TTIP, das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, liegen offenbar auf Eis. Die Zwischenbilanz gibt nicht mal einen Hinweis auf weitere Gespräche.

 Gegen TTIP formierte sich starker Widerstand der Bürger, aber vorerst gescheitert ist das Abkommen wohl am Verhandlungstisch. Foto: dpa

Gegen TTIP formierte sich starker Widerstand der Bürger, aber vorerst gescheitert ist das Abkommen wohl am Verhandlungstisch. Foto: dpa

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Cecilia Malmström bemühte sich um Optimismus: "Ich freue mich darauf, mit der neuen US-Regierung gemeinsam an der Zukunft der transatlantischen Handelsbeziehungen zu arbeiten", sagte die EU-Kommissarin für Handelspolitik. Die Union setzte "alles daran", ein "ehrgeiziges TTIP-Abkommen zu erzielen". Gemeinsam mit dem amerikanischen Chefunterhändler Michael Froman zog die Kommissarin eine Bilanz der Gespräche über das Freihandelsabkommen der EU mit den USA .

Was dabei herauskam, bezeichnete der Chef des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange (SPD ), gestern als eine "Trauerrede" auf das Abkommen, das nie eines werde. Denn der Erfolg nach vierjährigen Gesprächen und 15 Verhandlungsrunden hält sich in Grenzen: Nur bei der Harmonisierung von Auflagen für Pharma-Erzeugnisse ist man sich etwas nähergekommen - immerhin so nahe, dass Lange sogar ein "gesondertes Abkommen" für möglich hält.

Ansonsten beschreibt das Papier der Europäer und Amerikaner vor allem Wünsche und Absichten, aber keine Ergebnisse. Besonders deutlich wird das an der Tatsache, dass die Bilanz nicht einmal einen Hinweis auf eine nächste Gesprächsrunde gibt. Kein Termin, kein Fahrplan, kein nächstes Kapitel, über das man reden könnte: Der Glaube an eine Fortsetzung des transatlantischen Handelsdialogs unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump ist sogar den amerikanischen Unterhändlern abhandengekommen.

Das erscheint wenig verwunderlich, hat der neue Mann im Weißen Haus, der sein Amt am Freitag offiziell antritt, zum Chef des neu gegründeten Handelsrates doch ausgerechnet Wirtschaftsprofessor Peter Navarro ernannt, dem sein Ruf als Freihandelsgegner vorauseilt. Als Navarros rechte Hand fungiert der US-Handelsbeauftragte Robert Lithizer, ein Anwalt, der als Spezialist für Antidumping-Fälle bekannt ist und maßgeblich an Strafzöllen gegen chinesische Billigprodukte arbeitete. Handelsminister Wilbur Ross dürfte das Trio der TTIP-Gegner in der US-Regierung vervollständigen.

Im Umfeld der EU-Kommission gebe es derzeit "definitiv keine Hoffnung" auf ein Freihandelsabkommen mit den USA mehr, beschreiben Mitarbeiter Malmströms die Stimmung. Dazu passt, dass Trump gerade erst die hiesigen Autobauer beschimpft und ihnen mit Strafzöllen bis zu 35 Prozent gedroht hatte, um deutsche und europäische Wagen teurer zu machen, damit der US-Verbraucher zu heimischen Produkten greift.

Wie wenig kompromissbereit die neue US-Regierung in Zukunft wohl sein wird, lässt das jüngste Wiederaufrollen eines alten Falls erahnen: Die Welthandelsorganisation WTO hatte die EU wegen ihres Importverbots von hormonbehandeltem Rindfleisch verurteilt. Die Gemeinschaft musste Strafe zahlen. Gleichzeitig handelte Brüssel mit Washington aber einen Kompromiss aus, der den USA den zollfreien Import von jährlich mehr als 60 000 Tonnen unbehandeltem Rindfleisch garantierte. Auf Druck der US-Agrarwirtschaft wurde der Fall nun trotzdem neu aufgerollt: "Das ist ein Signal, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr zu Zugeständnissen bereit sind", sagte Lange. Ein Kommissionssprecher unterstrich gestern die Befürchtungen des Handelsexperten: Der Fall bedeute "einen sehr unglücklichen Rückschritt in den Handelsbeziehungen , die wir fortzusetzen hoffen".

Meinung:

Beschämende Bilanz

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes

Was nach vier Jahren erreicht wurde, nimmt sich beschämend minimalistisch aus. Die Spitzen der amerikanischen und der europäischen Delegation sprechen in ihrer Bilanz immer noch nur von Hoffnung und nicht von Ergebnissen. Dabei wäre es falsch, für das Scheitern die Schuld dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump zu geben. Anders als viele glauben, gebührt ihm nicht die Ehre, das Prinzip "Amerika zuerst" erfunden zu haben. In 15 Verhandlungsrunden haben die Vertreter Washingtons sich stets an die Linie gehalten, keinen Millimeter ihrer Position preiszugeben, von den Europäern aber die weitgehende Öffnung ihres Marktes zu fordern. So kann Freihandel nicht funktionieren.

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