Minderjährige werden zu Multimillionären

Berlin · Welche Belastungen durch die Erbschaftsteuerreform auf Firmenerben zukommen, ist immer noch ungewiss. So mancher Familienunternehmer hat wegen der Unklarheiten bereits gehandelt und vorsichtshalber Werte an seine Kinder übertragen.

 Wie viel Erbschaftsteuer Firmenerben zu zahlen haben, ist zwischen Union sowie SPD, Grüne und Linke nach wie vor umstritten. Foto: dpa

Wie viel Erbschaftsteuer Firmenerben zu zahlen haben, ist zwischen Union sowie SPD, Grüne und Linke nach wie vor umstritten. Foto: dpa

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Aus Furcht vor weniger großzügigen Steuerbegünstigungen nach einer Erbschaftsteuerreform haben zahlreiche Familienunternehmer ihre Firma schnell noch an Kinder verschenkt - oft auch an Minderjährige. Das ergibt sich aus Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das die Erbschaft- und Schenkungssteuerstatistik ausgewertet hat. Danach gingen in der Zeit zwischen 2011 und 2014 Firmenübertragungen im Wert von 37 Milliarden Euro steuerfrei an Minderjährige. Berücksichtigt sind nur Fälle, für die Altersangaben vorlagen. 144 Milliarden Euro wurden insgesamt steuerfrei übertragen. 29,4 Milliarden Euro haben laut DIW 90 Kinder im Alter von unter 14 Jahren erhalten. Im Durchschnitt bekamen sie also 327 Millionen Euro.

In den vergangenen Jahren habe es hohe Vorzieheffekte gegeben, schreibt das DIW: 2012 seien steuerfreie Übertragungen von Firmenvermögen auf 40 Milliarden Euro gestiegen, 2014 auf 66 Milliarden. 2015 seien es 57 Milliarden gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende 2014 die Verschonungsregeln für Firmenerben als zu großzügig gekippt und bis Ende Juni 2016 schärfere Vorgaben gefordert. Eine Einigung zwischen Bund und Ländern ist jedoch bisher nicht in Sicht. Umstritten sind vor allem die Steuerbegünstigungen für große Unternehmensvermögen.

Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag vertagte die Verhandlungen gestern Abend nach nur kurzen Beratungen in Berlin auf den 21. September. Bis dahin soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mögliche Kompromisslinien zu den künftigen Steuerbegünstigungen für Firmenerben ausloten.

Vor den gestrigen Gesprächen gaben sich beide Seite unversöhnlich und forderten einander zum Ende der Blockade-Politik auf. Die CSU lehnt Korrekturen an dem vom Bundestag bereits verabschiedeten Gesetz ab. SPD , Grüne und Linke beharren auf einer grundlegenden Überarbeitung der bisher geplanten Verschonungsregeln für vererbtes oder verschenktes Betriebsvermögen.

Sollten Bundestag und Bundesrat noch im September über einen möglichen Kompromiss abstimmen können, würde eine letzte, vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist eingehalten. Ansonsten wollen sich die Karlsruher Richter erneut mit der Steuer befassen. Sie könnten die Steuerprivilegien für Firmenerben stärker einschränken als bisher geplant oder ganz kippen. Es wird aber nicht erwartet, dass bei erfolglosen Verhandlungen von Bund und Ländern die Richter unmittelbar nach dem September aktiv werden. So könnten Bund und Länder auf eine Zusatz-Frist von einigen Wochen hoffen.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU ) sagte, "nach derzeitigem Stand wird es sehr schwer". Offenbar bestehe der Wunsch bei SPD und Grünen nach einer Totalrevision - was zu höheren Steuern führe und Arbeitsplätze vernichte. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD ) sagte: "Der Vermittlungsausschuss soll nicht Betonpositionen festlegen, sondern vermitteln." Daher erwarte er, dass das Gremium dem gerecht werde: "Dazu müssen aber beide Seiten sich bewegen können." Wenn eine Seite sage, jedes geänderte Komma sei eine Totalrevision, sehe es schlecht aus .

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