Private Krankenkassen verlieren Mitglieder

Berlin · Vor allem ältere Privatversicherte ächzen unter hohen Beiträgen. Das scheint sich herumgesprochen zu haben. Denn immer weniger Versicherte wechseln vom gesetzlichen ins private System.

 Erwerbstätige empfinden eine Vollversicherung bei privaten Krankenkassen offenbar zunehmend als Sackgasse. Foto: Fotolia

Erwerbstätige empfinden eine Vollversicherung bei privaten Krankenkassen offenbar zunehmend als Sackgasse. Foto: Fotolia

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Den privaten Krankenkassen laufen die Versicherten davon. In den vergangenen fünf Jahren haben die Kassen unter dem Strich rund 189 000 Vollversicherte verloren. Seit 2012 wechselten durchgängig mehr privat Versicherte in das gesetzliche Kassensystem als umgekehrt vom gesetzlichen ins private. Das geht aus einer Datenübersicht der Bundesregierung hervor, die unserer Zeitung vorliegt.

Zwischen 2012 und 2015 wechselten demnach gut 609 000 privat Versicherte in eine gesetzliche Krankenkasse. Den Weg vom gesetzlichen ins private System gingen nur noch knapp 520 000 Versicherte. Unter dem Strich wechselten also rund 90 000 Menschen mehr von der privaten in eine gesetzliche Kasse als umgekehrt.

Dabei ist ein Wechsel ins gesetzliche System nur in Ausnahmefällen möglich. So muss beispielsweise das Einkommen mindestens ein Jahr lang unter der sogenannten Versicherungspflichtgrenze in Höhe von derzeit 56 250 Euro liegen. Für Personen über 55 Jahre ist ein Wechsel von der privaten in eine gesetzliche Kasse nahezu unmöglich. Damit soll Rosinenpickerei verhindert werden. Denn in der Privaten Krankenversicherung (PKV) hängen die Beiträge stark von den individuellen Krankheitskosten ab, die mit steigendem Alter eher höher werden. Im gesetzlichen System sind die Beiträge dagegen ans Einkommen und nicht an den Gesundheitszustand gekoppelt.

"Oft bietet die PKV weniger Leistungen als die gesetzlichen Krankenkassen, und vor allem Rentner leiden unter den hohen Versicherungsprämien. Das hat sich mittlerweile herumgesprochen", erklärte Florian Lanz, Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen. Zugleich wies er darauf hin, dass "im Solidarsystem der gesetzlichen Kassen der Beitrag automatisch sinkt, wenn mit dem Renteneintritt das eigene Einkommen geringer wird".

Wegen der steigenden Kosten und der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt hatte der Verband der privaten Krankenversicherung kürzlich eine "ungewöhnliche Beitragserhöhung in vielen PKV-Tarifen" angekündigt. Zum Teil handelt es sich um Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich. Früheren Untersuchungen zufolge machen die Beitragssteigerungen in der Tat vor allem älteren Privatversicherten zu schaffen. So ist die Zahl der Menschen, die in billigere, im Leistungsumfang stark eingeschränkte Tarife gewechselt sind, in den vergangenen fünf Jahren rund ein Viertel auf 75 000 gestiegen. Der größte Teil davon sind Menschen über 65 Jahre. "Die private Krankenversicherung hat ihren Zenit überschritten", sagte die Sozialexpertin der Linken, Sabine Zimmermann . Sie hatte die Daten von der Bundesregierung angefordert. Den Menschen sei jahrelang erzählt worden, dass privat immer besser sei als öffentlich. Die konkreten Erfahrungen überzeugten aber jetzt immer mehr Versicherte, sich doch besser auf die gesetzliche Krankenversicherung zu verlassen, sagte Zimmermann.

2015 waren bei den privaten Kassen rund 8,8 Millionen Menschen versichert. 2012 waren es noch fast neun Millionen gewesen. Im gleichen Zeitraum ist der Zahl der Mitglieder in den gesetzlichen Kassen von 52,4 auf 54,2 Millionen gestiegen.

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