Erbschaftsteuer-Reform gestoppt

Berlin · Eigentlich hätte die Reform der Erbschaftsteuer Ende Juni stehen müssen. Das war die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Doch das Gefeilsche über die Steuerprivilegien für Firmenerben geht weiter.

 Bisher zahlen Firmenerben kaum Erbschaftsteuer. Foto: dpa

Bisher zahlen Firmenerben kaum Erbschaftsteuer. Foto: dpa

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Der mehr als ein Jahr dauernde Streit über die Reform der Erbschaftsteuer geht wieder in die Verlängerung. Nach dem Bundestagsbeschluss von vor zwei Wochen haben die Länder gestern den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Damit verzögert sich das umstrittene Gesetz über die künftigen Steuerprivilegien für Firmenerben mindestens bis zum Herbst. SPD , Grüne und Linke in der Länderkammer halten die Verschonungsregeln für Firmenerben für überzogen sowie teils verfassungswidrig und verlangen eine grundlegende Überarbeitung der Gesetzespläne.

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD ) betonte, es gehe darum, eine "angemessene Besteuerung zu finden - und nicht die niedrigst mögliche". Große Vermögen müssten angemessen an der staatlichen Finanzierung beteiligt werden. Die unionsgeführten Länder hatten auf Zustimmung gepocht, um für die Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) bedauert das Abstimmungsergebnis: "Die Bundesregierung hat gerade mit Blick auf den Erhalt der Arbeitsplätze in Familienunternehmen einen ausgewogenen Vorschlag zur Reform der Erbschaftsteuer gemacht." Dass im Vermittlungsausschuss die Debatte neu aufgerollt werde, "schafft weiter Unsicherheit und ist ein schlechtes Signal - gerade für die Familienunternehmen ", sagte Kramp-Karrenbauer.

Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU ) hatte von einem "ausgewogenen Kompromiss" gesprochen. Er schütze den Bestand der mittelständischen Wirtschaft und erfülle die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Bayern werde sich in den Nachverhandlungen allen Forderungen nach höheren Steuereinnahmen widersetzen, kündigte Seehofer an.

Das Bundesverfassungsgericht hatte schärfere Regeln bis Ende Juni gefordert. Die Spitzen von Union und SPD hatten sich erst in letzter Minute auf Details verständigt, weil vor allem die CSU möglichst wenige Verschärfungen zulassen wollte.

Bisher müssen Unternehmensnachfolger generell kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Beschäftigung halten. Die Verfassungsrichter hatten Ende 2014 eine Begünstigung für zulässig erklärt, aber strengere Vorgaben verlangt.

Nach den umstrittenen Koalitionsplänen sollen bei größeren Unternehmen Firmenerben nur verschont werden, wenn sie nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften. Ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall greift eine Bedürfnisprüfung. Wer die ablehnt und den Fiskus nicht in sein Privatvermögen blicken lassen will, kann ein "Abschlagsmodell" nutzen: Mit wachsendem Vermögen wird ein größerer Teil versteuert. Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern sind vom Nachweis des Arbeitsplatzerhalts befreit.

Die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer stehen den Ländern zu und lagen zuletzt bei rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Im Saarland kamen nach Angaben des Finanzministeriums 41 Millionen Euro zusammen.

Meinung:

Fröhliche Ignoranz

Von SZ-Korrespondent Werner Kolhoff

In der Sache sind die Einwände berechtigt: Auch nach der Gesetzesreform bleiben Firmenerben Privilegien, die wenig mit der lobenswerten Absicht zu tun haben, die Fortführung der Betriebe zu sichern. Aber was kann ein zeitraubendes Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag bringen? Nichts, denn der Kompromissspielraum zwischen Union und SPD ist nach einem Jahr Beratung ausgelutscht wie ein Eisbecher, den drei Kinder bearbeitet haben. Erreicht wird durch die Verzögerung etwas anderes: Das Gericht hatte der Politik für die Neuregelung nur bis Ende Juni Zeit gegeben. Diese Frist wird fröhlich ignoriert. Erst vom Bundestag, jetzt vom Bundesrat. So schafft man ohne Not eine Phase der Rechtsunsicherheit für die Betroffenen. Und sendet die Botschaft, dass einem Karlsruhe egal ist.

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