Merkel will nichts gewusst haben

Berlin · Die Kanzlerin sagt zur VW-Abgasaffäre vor dem Untersuchungsausschuss aus. Sie setzt dabei auf eine bewährte Strategie.

Zeugin zu sein, darin ist Angela Merkel (CDU) schon geübt. Vor drei Wochen musste sie im NSA-Untersuchungsausschuss zu den Abhörpraktiken des amerikanischen Geheimdienstes und des Bundesnachrichtendienstes aussagen. Damals präsentierte sich die Kanzlerin selbstsicher und unwissend. Eine Taktik, die sich offenbar aus ihrer Sicht bewährt hat. Im Untersuchungsausschuss zur VW-Abgasaffäre setzte sie gestern auf eine ähnliche Strategie.

Etwas ist bei diesem Auftritt allerdings schon anders. Und das gibt einen Hinweis darauf, welche Bedeutung Merkel dem Gremium beimisst: Die Spähangriffe der NSA waren eine Art Staatsaffäre, auch für die Kanzlerin, ebenso die Verquickung des deutschen Geheimdienstes. Vor ihrer Aussage im NSA-Ausschuss verlas sie eine mehrseitige Erklärung. Jetzt hat sie nur wenige handgeschriebene Zettel dabei. Sie wolle kein Eingangsstatement "im klassischen Sinne" halten, sagt sie. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte von Diesel-Autos soll vor allem ein Problem von VW und der gesamten Autobranche bleiben.

Merkel stellt sich zu Beginn der Sitzung vor, umreißt kurz die Themenkomplexe. Sie mahnte dann bei EU-Umweltstandards und neuen Antriebstechnologien ambitionierte Ziele an. Diese dürften aber nicht so streng ausfallen, "dass in Deutschland kein Auto mehr produziert wird". Nach gut einer Stunde Befragung fällt folgender Satz: "Über das, was ich an Kenntnis habe, habe ich ihnen jetzt berichtet." Eigentlich könnte man nun Schluss machen. Meint Merkel. Macht der Ausschuss aber nicht. Es geht noch anderthalb Stunden weiter. Fast ein Jahr lang hat das Gremium versucht herauszufinden, ob die Bundesregierung irgendwie in den Skandal verstrickt gewesen ist. Je nach parteipolitischer Couleur kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen. Merkel jedenfalls betont, sie habe wie alle anderen auch am 19. September 2015 "durch die Medienberichterstattung" von der Affäre erfahren. Nach ihrer Erinnerung sei sie dann am 21. September von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) informiert worden. Sie habe keine Zweifel daran gehabt, dass bei ihm die Aufklärung "in guten Händen liegt". Wenn schon kritische Fragen zur Verantwortung, dann bitteschön an ihn und nicht an sie.

Mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn habe sie "wahrscheinlich" erst am 22. September telefoniert. Auf die Frage, was sie von ihm erfahren habe, antwortet die Kanzlerin: "Nichts, was ich nicht schon gewusst hätte." Auch von "Abschalteinrichtungen" habe sie erstmals in der Presse gelesen. Detailliert hat sich die Kanzlerin nach eigenen Worten dann nicht mehr in das Thema eingemischt. Den Eindruck, dass die deutschen Behörden Fehler bei dem Skandal begangen hätten, habe sie nicht. Und weshalb der Abgas-Skandal nicht in Deutschland aufgedeckt wurde, wisse sie auch nicht: "Motivforschung ist nicht meine Aufgabe." Der CSU-Mann Ulrich Lange lobt Merkels Auftritt als "souverän". Klar sei, "es gab kein Wegsehen der Regierung". Die Opposition hält die Kanzlerin hingegen für "verantwortungslos" und "nicht überzeugend".

Der Grüne Oliver Krischer witzelt zu Merkel: "Ich habe den Eindruck, Sie verstehen mehr von CO{-2} und Stickoxiden als zwei Verkehrsminister, die wir hier hatten." Gelächter im Saal. Da ist wohl was dran. Merkel war von 1994 bis 1989 Umweltministerin. Ahnung hat sie. Aber gewusst haben will sie nichts.

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Australien verklagt Audi im Abgas-Skandal Die australische Verbraucherschutzbehörde ACCC hat die VW-Konzerntochter Audi im Skandal um manipulierte Abgaswerte verklagt. Die Behörde wirft dem Mutterkonzern vor, in 12 000 Autos eine Software eingebaut zu haben, die bei standardisierten Tests den Ausstoß von schädlichen Stickoxiden senkt. VW habe für Entwicklung und Einbau der Software in die Audi-Fahrzeuge gesorgt. Die Behörde forderte Entschädigungszahlungen sowie eine korrigierte Werbung für die Audi-Fahrzeuge.

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