Musterklage gegen VW in Deutschland

Eines steht schon fest: Der Abgas-Skandal wird für Volkswagen richtig teuer. Auch europäische Kunden fordern Schadenersatz, und Anwälte werben um geprellte VW-Besitzer – mit einer neuen Strategie. Eine US-Kanzlei hat nun eine „Musterklage“ beim Landgericht Braunschweig eingereicht. Worum es dabei geht, erläutern dpa-Mitarbeiter Jan Petermann und Felix Frieler in Frage-Antwort-Form.

 Muss VW nun auch Millionen von europäischen Kunden Schadenersatz zahlen? Foto: Stratenschulte/dpa

Muss VW nun auch Millionen von europäischen Kunden Schadenersatz zahlen? Foto: Stratenschulte/dpa

Foto: Stratenschulte/dpa

Können VW-Besitzer in Deutschland doch Entschädigung bekommen?

Das wollen die Anwälte der US-Kanzlei Hausfeld erreichen. Im Gegensatz zu den USA schließt VW bisher direkte Entschädigungen für Besitzer manipulierter Dieselautos in Europa aus. In Deutschland gibt es Urteile, die keine Pflicht zur Kaufpreiserstattung sehen. Einige Gerichte bewerten das zwar auch anders. Es gibt aber noch kein Urteil von höchster Instanz. Nun soll der Besitzer eines Eos-Coupés zu einem Musterfall werden. Der VW-Fahrer will den Kaufpreis des Dieselwagens komplett zurück. Es geht nun darum, ob die Fälschungs-Software einen so großen und nachweisbaren Mangel darstellt, dass Kunden vom Kauf zurücktreten können. Die Anwälte wollen die Breitenwirkung erhöhen, indem sie eine Klage lancieren, die sie selbst "Musterklage" nennen: Das Braunschweiger Verfahren soll "exemplarisch" für ähnliche sein.

Welche Strategie fahren die Anwälte?

Hausfeld will die Mangel-Argumentation stark erweitern und möglichen Kundenansprüchen mehr Durchschlagskraft geben. Seine Juristen meinen: Schon die bloße Inbetriebnahme von Autos mit den Betrugs-Software-Programmen sei ein schwerer Rechtsverstoß durch VW gewesen. Denn die zugehörigen Typgenehmigungen seien vom Tag der Zulassung an gleichsam erloschen. "Die für die vom Abgas-Skandal betroffenen Kraftfahrzeuge ausgestellten Übereinstimmungsbescheinigungen sind ungültig", schrieb der Berliner Gutachter Remo Klinger. Nachträgliche Rückrufe mit einem Software-Update änderten nichts daran, dass Wagen auf die Straße kamen, die gar nicht in den Verkehr kommen durften. Das soll - wenn es nach den Hausfeld-Anwälten geht - auch der Europäische Gerichtshof bestätigen. Hätten die Kunden gewusst, dass die Autos eigentlich gar nicht fahren dürfen, hätten sie solche Wagen nicht gekauft, lautet die Argumentation der Anwälte.

Knickt VW in der Schadenersatz-Frage für Europa ein?

Bislang jedenfalls nicht. In Europa kommt ein ähnlicher Schadenersatz wie in den USA bisher nicht infrage, was bei Verbraucherschützern auf heftige Kritik stieß. Seit längerem gibt es eine Debatte um mehr Schutz für Kunden mit Hilfe von vergleichbaren "Sammelklagen ". Dabei stellt sich aber auch die Frage, ob Zahlungen wie jenseits des Atlantiks die Finanzkraft von Volkswagen schlicht überfordern würden. Mittlerweile hat der Konzern 18,2 Milliarden Euro zur Bewältigung der Krise zurückgelegt. Zu den Inhalten der Hausfeld-Klage und dem Vorgehen der Kanzlei wollte sich VW zunächst nicht näher äußern.

Wird es in Deutschland ein "Musterverfahren" wie in den USA geben?

Echte "Sammelklagen " wie im US-amerikanischen Recht gibt es in Deutschland nicht. Einzige Ausnahme: Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz erlaubt für Konflikte im Kapitalmarktrecht - also zum Beispiel zwischen Aktionären und Unternehmen - die Bündelung ähnlicher Ansprüche von Anlegern, die als Leitlinien herangezogen werden können. Ein anschließendes Urteil muss jedoch auch hier stets im Einzelfall erfolgen.

Was bekommen VW-Besitzer in den Vereinigten Staaten?

In den USA, wo der Skandal mit weltweit rund elf Millionen betroffenen Autos 2015 bekannt wurde, einigte sich VW mit Kunden , Händlern und Behörden nach langem Ringen auf ein Entschädigungspaket. Die Vergleiche umfassen allein für die 2,0-Liter-Diesel eine Summe, die bis zu 16,5 Milliarden Dollar betragen dürfte. Vor Weihnachten gab es auch eine Grundsatzlösung für 3,0-Liter-Antriebe. Sollten Rückrufe nicht die Probleme abstellen, sind bei einigen Autos Rückkäufe drin.

Wie reagiert VW ?

VW selbst hat ein Heer von Anwälten beauftragt, um die Hintergründe intern klären zu lassen. VW-Chef Matthias Müller hatte mit Blick auf die Sammelklagen auch von einem Geschäftsmodell gesprochen: "Es ist ja eine geübte Praxis in den USA, die offensichtlich jetzt auch versucht wird, nach Europa und Deutschland zu transportieren."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort