IHK Saarland setzt auf Studienabbrecher

Saarbrücken · Viele Studenten fühlen sich durch das Studium überfordert und brechen ab. Trotzdem können sie noch Karriere in der Wirtschaft machen. Die IHK versucht nun, diese Zielgruppe gezielt anzusprechen.

Die Zahl ist gewaltig. An deutschen Hochschulen brechen rund 100 000 Studierende jedes Jahr ihr Studium ab. Auf das Saarland heruntergerechnet sind das Schätzungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Saarland zufolge etwa 1200. "Davon steht rund die Hälfte für eine Ausbildung oder Beschäftigung in der Wirtschaft zur Verfügung", glaubt IHK-Hauptgeschäftsführer Volker Giersch .

Einer der sich neu orientiert hat, ist Marc P.. Seinen Namen will er allerdings nicht in der Zeitung lesen. Er studierte Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein. Irgendwann merkte der 28-Jährige, dass dies nicht das Richtige für ihn ist. Heute macht er, nachdem er sich von der IHK hatte beraten lassen, eine Umschulung bei einem saarländischen Telekommunikations-Unternehmen zum Elektroniker für Geräte und Systeme. Die Ausbildung wurde für ihn um ein Jahr auf zweieinhalb Jahre verkürzt. "Es war die richtige Entscheidung", sagt er. "Ich wollte etwas machen, wo ich mit Hand und Verstand etwas schaffen kann."

Die Nachfrage in der Wirtschaft nach diesen Leuten ist offenbar groß. Nach einer Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB) sind die Industrie und der Handel am stärksten interessiert, diese jungen Leute für sich zu gewinnen. Bei einer Befragung haben mehr als 70 Prozent der Unternehmen ein sehr hohes Interesse gezeigt. Es folgen die freien Berufe wie beispielsweise Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieurbüros oder Steuerberater mit 44 Prozent sowie das Handwerk mit 26 Prozent. Die besten Chancen für Studienabbrecher sehen die BiBB-Experten in der Informations- und Kommunikationstechnologie, im Bank- und Versicherungsgewerbe, im medizinischen Bereich sowie in den Verkehrs- und Logistik-Berufen.

Nach Schätzungen der Kammer beginnen zwischen 250 und 300 Studienabbrecher jährlich eine Ausbildung in den IHK-Berufen. Diese umfassen alle Bereiche der Industrie, den Handel, die Banken und Versicherungen, aber auch die Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, die Verlage und die unternehmensbezogenen Dienstleistungen wie beispielsweise Ingenieure, Architekten oder Steuerberater.

80 Prozent der jungen Leute brechen ihr Studium bereits nach wenigen Semestern ab. Bei dieser Gruppe ist es möglich, dass in Absprache mit den Unternehmen die Ausbildungszeit verkürzt werden kann. Die übrigen sind Studenten , die an einer Hochschule aufhören mussten, weil sie Klausuren nicht bestanden hatten. Auch hier ist eine verkürzte Ausbildung möglich. Auf den Besuch der Berufsschule kann außerdem verzichtet werden. Denkbar ist ferner, dass parallel zur Ausbildung bereits eine Weiterbildungsmaßnahme in Angriff genommen wird - beispielsweise zum Industrie-Techniker oder -Meister oder zum IT-Fachwirt.

Ein harter Kern, der besondere Probleme bereitet, "sind die Langzeit-Studenten, die zwischen 27 und 30 Jahre alt sind", sagt Peter Nagel, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der IHK. "Diese suchen direkt eine Beschäftigung, was aber schwierig ist", so seine Erfahrung. Daher ist die IHK bemüht, "diese Studierenden-Gruppe frühzeitig anzusprechen, um sie früher für eine Ausbildung zu gewinnen". Das scheint auf fruchtbaren Boden zu treffen. Die Zahl der Beratungsgespräche mit Studienabbrechern steigt bei der IHK kräftig. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 100 gezählt. In den ersten acht Monaten dieses Jahres waren es bereits 160.

Doch eine Garantie für reibungslosen Wechsel ist das nicht. Diese Erfahrung hat Felix S. gemacht. Nach einem abgebrochenen Studium der Sozialwissenschaften in Trier sucht er seit fast acht Monaten einen Ausbildungsplatz im Bereich Banken, Versicherungen und Finanzen. Wenn er keine Stelle findet, will er wieder zurück an die Hochschule und es bei den Wirtschaftswissenschaften versuchen.

Zum Thema:

HintergrundDie Industrie- und Handelskammer (IHK) Saarland will Studienabbrecher in Zukunft noch offensiver und gezielter ansprechen. Das soll unter anderem durch Informations-Flyer passieren, die an den Hochschulen ausliegen, aber auch durch Artikel und Inserate in Zeitschriften wie "Campus". Ferner soll sich die kommende IHK-Marketingkampagne für die duale Ausbildung, die im November startet, verstärkt an Studienabbrecher richten. Auch der nächste IHK-Aktionstag Weiterbildung, der im kommenden Frühjahr stattfindet, soll passende Weiterbildungsangebote für Studienabbrecher zum Thema haben. low

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