„Die Latte nicht zu hoch legen“

Saarbrücken · Drei abgebrochene Verhandlungsrunden, erste Warnstreiks, die auch über 24 Stunden laufen sollen. Die Metall-Tarifauseinandersetzungen sind in vollem Gange. Die Arbeitgeber fordern allerdings, nicht zu überziehen.

Angesichts der ersten Warnstreiks in der Metall- und Elektro-Industrie fordern die Arbeitgeber die Gewerkschaft zu mehr Verhandlungsbereitschaft auf. "Bisher können wir den Willen zu Verhandlungen auf Gewerkschaftsseite nicht erkennen", sagt Oswald Bubel, Präsident des Arbeitgeberverbands ME Saar. Forderung der Gewerkschaft und Angebot der Arbeitgeber liegen bisher weit auseinander. Die Arbeitgeber haben 2,4 Prozent Entgeltsteigerung auf zwei Jahre angeboten, die Gewerkschaft fordert ein Plus von fünf Prozent. Drei Verhandlungsrunden, eine im März, zwei im April, waren ergebnislos gescheitert, kommenden Freitag sind neue Gespräche angesetzt.

Bubel warnt davor, den Bogen zu überspannen und die Industrie zu überfordern: "Die Produktivität der Unternehmen ist in den vergangenen sieben Jahren gerade einmal um knapp zwei Prozent gestiegen", sagt Bubel. Die Lohnkosten dagegen seien um fast 20 Prozent gestiegen. "Es gilt deshalb, die Latte diesmal nicht zu hoch zu legen." Die Kritik der Arbeitgeber entzündet sich auch an der Rechnung der Gewerkschaft: "Jahrelang hat die Gewerkschaft argumentiert, dass die Gehaltssteigerung die Inflation ausgleichen müsse. Dazu kam ein Ausgleich für die Produktivitätssteigerungen", sagt Martin Schlechter, Geschäftsführer bei ME Saar. "Weil aktuell die Inflation gegen Null geht, legt die Gewerkschaft nun die Zielinflation der Europäischen Zentralbank zugrunde."

Die EZB strebt eine Zielinflation von zwei Prozent an, die sie als Basis für Geldwertstabilität anlegt. "Es ist aber nicht Aufgabe von Gewerkschaften und Unternehmen, Geldpolitik zu machen", sagt Schlechter. Während die Gewerkschaft von zwei Prozent Inflation sowie einem Prozent Produktivitätssteigerung ausgeht und inklusive einer geforderten Umverteilungskomponente von zwei Prozent so ihre Forderung von fünf Prozent begründet, rechnen die Arbeitgeber mit einer Inflation von 0,3 Prozent, einer Produktivitätssteigerung von 0,6 Prozent in diesem Jahr sowie 0,3 Prozent Wettbewerbskomponente. "Mit dieser Rechnung kämen wir auf eine Steigerung von 1,2 Prozent pro Jahr", sagt Bubel. Der ME-Saar-Präsident will den neuen Tarifvertrag über zwei Jahre abschließen, um möglichst die nächsten Verhandlungen nicht im Wahlkampf zu führen.

Kritisch sehen die Arbeitgeber auch das Argument der Gewerkschaften , ein höherer Abschluss sei nötig, um den Konsum anzukurbeln, der aktuell eine zentrale Säule des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland darstellt. Doch auch hier sehen sich die Metall-Arbeitgeber nicht in der Pflicht. "Der konsumgetriebene Aufschwung kommt gerade bei unseren Unternehmen nicht an", sagt Bubel. Vier von fünf Betrieben würden Investitionsgüter herstellen, die für den Export bestimmt sind. Und hier sei aktuell eine Gegenbewegung zu beobachten. In vielen wichtigen Märkten wie China, Russland und Brasilien sei das Wachstum stark eingebrochen, sagt Schlechter. Alleine das Geschäft mit Russland und Brasilien sei 2015 um zehn Milliarden Euro eingebrochen. Bubel forderte die Gewerkschaft auf, in echte Verhandlungen einzusteigen. "Was mich ärgert, sind Warnstreiks , ohne dass einmal substanziell geredet wurde."

Bei den Betrieben steige die Tendenz, den Flächentarif zu verlassen, sagt Bubel. "Bereits nach dem letzten Abschluss von 3,4 Prozent haben wir von vielen Mitgliedsbetrieben Prügel bekommen." Er fürchtet auch eine zunehmende Verlagerung, wenn die Arbeitskosten in Deutschland weiter steigen. "Schon jetzt decken die Investitionen der Unternehmen in Deutschland nicht mehr die Abschreibungen", sagt auch Schlechter. Investiert werde dagegen im Ausland. "Hierzulande fahren die Unternehmen auf Verschleiß", sagt Schlechter.

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