Stahlarbeiter schlagen Alarm

Brüssel · Die Stahlbranche in Europa kämpft ums Überleben. Die Unternehmen klagen vor allem über die billige Konkurrenz aus China. Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände drängen auf ein schnelles Eingreifen der EU.

Protestgehupe und Fahnenmeer: Tausende Stahlarbeiter aus mehreren europäischen Ländern zogen gestern mit Plakaten wie "Stoppt China Dumping" durch die Straßen des Brüsseler EU-Viertels. 350 bis 400 seien aus dem Saarland dabei gewesen, sagte Robert Hiry, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Völklingen. Sie alle sehen Jobs in den europäischen Industrien durch die billigen Importe aus China in Gefahr.
Die chinesischen Betriebe würden teils vom Staat unterstützt, sagte der Sprecher des Industriebündnisses Aegis, Milan Nitzschke. "Da kann keiner mithalten." Noch schärfer formulierte der Präsident des europäischen Stahlverbands Eurofer, Greet van Poelvoorde: "Die Importe kommen nach Europa zu Preisen unter den Produktionskosten. Das ist Dumping." Die EU müsse effektivere Instrumente dagegen entwickeln und diese auch schneller einsetzen. In den vergangenen Jahren gingen in der europäischen Branche laut EU-Kommission rund 40 000 Arbeitsplätze verloren. Auf China entfällt etwa die Hälfte des weltweit produzierten Stahls. Experten zufolge sitzt China auf einer Überproduktion von 340 Millionen Tonnen

Vertreter zahlreicher Branchen diskutierten gestern die Problematik mit EU-Politikern auf einer Konferenz in Brüssel. "Wir brauchen schnelle und effektive Mittel gegen Dumping", forderte Karl Köhler, Europachef der indischen Tata-Steel. Die Produzenten von Stahl oder Aluminium könnten sonst komplett aus Europa vertrieben werden. "Wenn eine Industrie verschwunden ist, dann kommt sie nicht mehr zurück." Druck kommt auch von den Regierungen zahlreicher EU-Länder: In einem Brandbrief hatten Deutschland und sechs weitere Länder die EU jüngst zum Handeln aufgefordert. Die heimische Industrie müsse gegen "unfaire Handelspraktiken" geschützt werden, hieß es.

Die EU-Kommission erklärte, sie sei sich der Situation des Stahlsektors bewusst und handele so schnell es im Rahmen europäischen Rechts möglich sei. Am Freitag hatte die Brüsseler Behörde bestimmte Stahlerzeugnisse aus China und Russland mit Einfuhrzöllen belegt. Bei drei weiteren Stahlprodukten aus China - darunter Grobbleche, wie sie auch die Dillinger Hütte herstellt - wurden Anti-Dumping-Untersuchungen eingeleitet. Van Poelvoorde kritisierte die Beschlüsse als nicht weitreichend genug: "Das hilft überhaupt nicht, die Zölle sind viel zu niedrig."

Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) legte unterdessen eine Studie vor, wonach die weltweite Stahlnachfrage weniger stark steigt als bisher angenommen. Der globale Stahlverbrauch werde bis 2025 um durchschnittlich 2,9 Prozent pro Jahr auf 2,23 Milliarden Tonnen zunehmen. Das liegt etwa fünf Prozent unter der Vorjahresprognose von 2,35 Milliarden Tonnen. Der globale Wettbewerb werde sich weiter verschärfen, erwartet PwC-Experte Nils Naujok. dpa/afp


Unterstützung für Saar-Stahlbranche

Koalition plant Resolution - CDU: EU-Pläne bedrohen hiesige Stahlindustrie

Mit einer Resolution für den Erhalt der saarländischen Stahlindustrie will sich die große Koalition bei der Landtagsdebatte am 24. Februar hinter die Interessen der Beschäftigten stellen. CDU-Fraktionschef Tobias Hans sagte, die Pläne der EU-Kommission für den Emissionshandel stellten eine "erhebliche Bedrohung" für das Saarland dar. Er warnte auch vor einer Verlagerung der Produktion nach China und negativen Folgen für die saarländische Automobilindustrie, die auf hochwertige Stähle angewiesen sei. SPD-Fraktionsvize Magnus Jung ergänzte, die saarländische Stahlindustrie sei beim Klimaschutz bereits Spitzenreiter. Jung und der Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine forderten, die EU müsse Zölle gegen chinesischen Stahl zu Dumping-Preisen verhängen.

Grünen-Fraktionschef Hubert Ulrich sagte, das Hauptproblem der heimischen Stahlindustrie seien nicht die Umweltauflagen, sondern die Dumping-Preise in China. Die EU reagiere viel zu langsam darauf. Piraten-Fraktionschef Michael Hilberer sagte, der Emissionshandel sei prinzipiell eine gute Möglichkeit, den CO-Ausstoß langfristig zu senken; er werde die europäische Stahlindustrie nicht ruinieren. Hilberer sprach von einem "Anpassungsprozess" der Stahlindustrie, auf den die Politik wenig Einfluss habe.

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