Vitaminmangel macht das Gehirn krank

Frankfurt · Die Alzheimer-Demenz hat auch mit einem gestörten Zucker- und Insulinstoffwechsel zu tun. Einige Wissenschaftler und Mediziner sehen die Hirnerkrankung als Zuckerkrankheit des Gehirns an, als Typ-3-Diabetes.

 Ein Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wie Selen, Zink, Jod, Kupfer und Mangan steigert offensichtlich das Risiko für eine Demenz-Erkrankung. Eine Säule der Prävention sollte daher eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem Gemüse sein. Foto: Fotolia

Ein Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wie Selen, Zink, Jod, Kupfer und Mangan steigert offensichtlich das Risiko für eine Demenz-Erkrankung. Eine Säule der Prävention sollte daher eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem Gemüse sein. Foto: Fotolia

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Demenz wird zu einem guten Teil durch unseren westlichen Lebensstil verursacht. Daher ist sie keine unausweichliche Folge des Altwerdens. Das ist das Ergebnis des "Kongresses für menschliche Medizin ", der jüngst an der Goethe-Universität in Frankfurt stattfand. Veranstalter waren die Akademie für menschliche Medizin und die Akademie für Mikronährstoffmedizin.

Auf die häufig schlechte Versorgung der Menschen mit Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wies der Essener Apotheker und Mitveranstalter des Kongresses, Uwe Gröber, hin. Das liege nicht nur an einer unzureichenden Ernährung, auch die gängigen Grenzwerte für das, was normal oder gesund sei, müssten dringend angepasst werden. Als Beispiel nannte Gröber das Vitamin B12. Es spiele bei der Verhütung von Demenzen eine große Rolle. Die Normwerte lägen derzeit jedoch viel zu niedrig, sodass ein Mangel oft übersehen werde. Andere B-Vitamine sowie alpha-Liponsäure hätten sich ebenfalls als hilfreich beim Verhüten demenzieller Erkrankungen erwiesen. Sie schützen die empfindlichen Hirnzellen vor oxidativem Stress, Entzündungen oder den Folgen verzuckerter Eiweiße, den sogenannten AGEs, die Hirnschäden fördern. Ist zu viel Zucker im Blut, heftet er sich dauerhaft an Eiweiße, die dadurch ihre Funktionsfähigkeit einbüßen. Zudem kann es durch diese Eiweißverzuckerung zu krankhaften Entzündungen kommen.

Auch die Versorgung mit Vitamin D und der Fischfettsäure DHA, zwei weiteren Hirnschutzstoffen, sei sehr oft unzureichend, sagte Gröber. Besonders wichtig ist ihm das Selen, das als einziges Spurenelement direkt in die Erbsubtanz DNA eingebaut wird, wo es vor giftigen Substanzen schützt. Auch das Gehirn benötigt Selen, ebenso Zink, Jod, Kupfer und Mangan. Angesichts der vielen bekannten Effekte der Mikronährstoffe sei es wichtig, auch diese zu messen und bei Bedarf gezielt aufzufüllen.

Klaus Kisters, Chefarzt der Medizinischen Klinik I am St.-Anna-Hospital in Herne und Professor an der Universität Münster, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Mikronährstoff Magnesium. Es fungiere im Gehirn wie ein schützender Schrankenwärter, indem es überschießende Reaktionen seines Gegenspielers Kalzium eindämme. Bei mangelhafter Versorgung mit dem Mineralstoff komme es zu mehr Schlaganfällen, Infarkten und Demenzen. Am besten sei es, vorbeugend für eine ausreichende Magnesiumzufuhr zu sorgen.

Der Stuttgarter Ingenieur Florian Wolf stellte die Messung des Herzschlags, genauer: der Herzratenvariabilität (HRV), als präzise Methode vor, um Stress, aber auch Regeneration objektiv erfassen zu können. In unzähligen Messungen habe sich gezeigt, dass das Arbeitsleben nur für etwa die Hälfte der Stressbelastung verantwortlich sei. Die andere Hälfte entstamme persönlichen oder familiären Stresssituationen. Da Angst, Depressionen und Stress sich auch ungünstig auf die Hirngesundheit auswirkten, biete der Abbau von Stress eine gute Möglichkeit zur Vorbeugung.

Anhand von HRV-Messungen konnte Wolf zeigen, dass die drei Stunden vor dem Schlaf entscheidend für die Regeneration sind. Wer in dieser Zeit gestresst ist, kann im Schlaf nicht richtig regenerieren. Besonders ungünstig am späten Abend seien Alkohol, Streit, zu viel Fernsehen, üppige Mahlzeiten, intensiver Sport sowie das blaue Licht von Smartphones, Tablets und ähnlichen Geräten.

Auf den günstigen Einfluss des Hormons Progesteron auf die Hirnfunktion machte der Wiener Gynäkologe Professor Johannes Huber aufmerksam. So sinkt häufig schon zu Beginn der Wechseljahre die Progesteronbildung in den weiblichen Eierstöcken deutlich ab, und in dieser Zeit klagen viele Frauen über ein nachlassendes Gedächtnis. Für die Bedeutung des Progesterons zum Erhalt der Hirngesundheit bei Mann und Frau spreche, dass das Hormon vom Gehirn selbst hergestellt werde. Es wirke beruhigend und ausgleichend auf die Psyche. Zudem schütze Progesteron das Gehirn , indem es die Bildung von Myelin fördere. Myelin ist eine weiße, fettreiche Isolierschicht, die Nervenzellen umhüllt und dadurch eine geordnete und schnelle Signalübertragung ermöglicht. Bei Alzheimerpatienten fällt häufig ein erhöhter Myelinverlust auf. "Seine volle Wirkung entfaltet das Progesteron jedoch erst im Zusammenspiel mit Vitamin D", sagte Huber.

Dr. Kurt Müller aus Kempten brachte den Kongressbesuchern die Bedeutung der Umweltgifte für den Hirnstoffwechsel nahe. Vor allem für fettlösliche Schadstoffe könne das Gehirn nach Jahrzehnten der Belastung zu einem regelrechten Endlager werden. So habe sich gezeigt, dass Menschen mit Amalgamfüllungen zwölfmal so hoch mit Quecksilber belastet seien wie Menschen ohne Amalgam. Mit den Umweltgiften gelangen nach Müllers Erkenntnissen auch Entzündungen ins Gehirn . Zudem weisen mit Chemikalien belastete Personen eine schlechtere Zuckerverwertung und damit eine schlechtere Energieversorgung in ihren Gehirnen auf. Entzündungen und eine schlechte Zuckerwertung sind wichtige frühe Kennzeichnen von Demenzen und sollten daher möglichst vermieden oder aber rechtzeitig behandelt werden.

Neben der Raucherentwöhnung kamen im Verlauf des Kongresses auch die große Bedeutung gesunder Fette für die Ernährung des Gehirns sowie die vorbeugende Wirkung regelmäßiger körperlicher Bewegung zur Sprache. (ug) Sollte Alzheimer tatsächlich ein Typ-3-Diabetes sein, heißt das nicht, dass man zunächst an einem "gewöhnlichen" Diabetes erkrankt sein muss. Zwar haben Diabetiker ein deutlich erhöhtes Risiko für demenzielle Erkrankungen, doch ein Typ-3-Diabetes kann sich auch ohne Altersdiabetes (Typ 2) oder Jugenddiabetes (Typ 1) entwickeln.

Bei einem Hirndiabetes treten im Detail zwar andere Probleme im Insulinstoffwechsel auf als bei den anderen Diabetesformen, doch auch im Gehirn ist die Zuckeraufnahme der betroffenen Zellen gestört. Folglich mangelt es ihnen an Energie und sie funktionieren nicht mehr richtig.

Dies ist eine Erklärung dafür, warum immer mehr Hirnfunktionen ausfallen, wenn sich eine Demenz entwickelt. Steht den Hirnzellen kein alternativer Energiespender zur Verfügung, können sie zugrunde gehen. Dann ist keine Umkehr mehr möglich. Kein noch so gesunder Lebensstil kann einmal zerstörte Hirnzellen wiederbringen.

Als alternative Energiequelle für Hirnzellen kommt neben Milchsäure und den sogenannten Ketonen, die in der Leber aus Fett gebildet werden, ein besonderer Zucker in Frage, auch wenn dies zunächst unlogisch klingt: die Galaktose. Sie ist Teil des Milchzuckers, kommt aber auch in einigen Früchten und in den schwer verdaulichen Kohlenhydraten der Hülsenfrüchte vor.

Dr. Kurt Mosetter, Arzt und Heilpraktiker in Konstanz, will die Wirkung dieses Zuckers in der Vorbeugung und Behandlung von Demenzen bekannt machen. In seinem Vortrag auf dem Kongress für menschliche Medizin Mitte April in Frankfurt erläuterte Mosetter, ein gesunder Körper könne regenerieren und sich reparieren, solange den Zellen genug Energie zur Verfügung stehe. Üblicher Zucker sei jedoch ein Feind der Regenerationsfähigkeit des Gehirns und der natürlichen Plastizität, der Fähigkeit des Gehirns, sich ständig umzubauen.

Anders die Galaktose, die auch als Schleimzucker bezeichnet wird, weil sie wichtig für intakte Schleimhäute und Zelloberflächen ist. Sie bindet nicht nur Giftstoffe wie Ammoniak im Körper und konnte zumindest in Zellkulturen Krebszellen abtöten. Galaktose sorgt auch dafür, dass Hirnzellen wieder Zucker aufnehmen und verwerten können. Dafür genügen bereits kleine Mengen von einem bis drei Teelöffeln täglich.

 Der Zucker Galaktose könnte nach ersten Studien gegen leichte Demenz helfen. Foto: Jens Kalaene/dpa

Der Zucker Galaktose könnte nach ersten Studien gegen leichte Demenz helfen. Foto: Jens Kalaene/dpa

Foto: Jens Kalaene/dpa

Buchtipp: Kurt Mosetter, Anna Cavelius: Zuckerkrankheit Alzheimer, Riemann-Verlag, 2016, 288 Seiten, 16,99 Euro.

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