Schiffsreisen zu unentdeckten Orten

Hamburg · Pinguine in der Antarktis, Eisbären in Grönland: Eine Expeditionskreuzfahrt führt Reisende zu ganz besonderen Orten der Erde. Ein bisschen dürfen sie sich dabei als Entdecker fühlen – und manchmal ist auch ein Schuss Abenteuer im Spiel.

 Mit etwas Glück kommen Reisende bei Expeditionskreuzfahrten seltenen Tieren wie Walen ganz nah. Foto: Ponant Yachtkreuzfahrten/DPA

Mit etwas Glück kommen Reisende bei Expeditionskreuzfahrten seltenen Tieren wie Walen ganz nah. Foto: Ponant Yachtkreuzfahrten/DPA

Foto: Ponant Yachtkreuzfahrten/DPA

Venedig, Dubrovnik, Miami: Diese Häfen werden tagtäglich von Kreuzfahrtschiffen angelaufen. Wer sich dagegen an Bord eines Expeditionskreuzfahrtschiffs begibt, lernt andere Regionen kennen. Diese Touristen suchen das Außergewöhnliche: Landungen an Stellen, wo es oftmals gar keinen Hafen gibt, wilde Tiere, unberührte Natur. Solche Reisen liegen im Trend, sagen Experten - obwohl eine Expeditionsreise locker so viel kosten kann wie ein Mittelklassewagen.

Was eine Expeditionskreuzfahrt ausmacht, erklärt Daniel Skjeldam, Chef von Hurtigruten, dem größten internationalen Anbieter solcher Reisen: "Bei einer klassischen Kreuzfahrt passiert das meiste an Bord des Schiffs. Bei einer Expeditionskreuzfahrt sind die aktiven Erlebnisse und Beobachtungen außerhalb des Schiffs am wichtigsten."

Für Isolde Susset, Expeditionschefin bei Deutschlands bekanntester Reederei Hapag-Lloyd Cruises, zeichnet sich eine solche Fahrt vor allem durch eine außergewöhnliche Route aus. "Im Grunde sind es abenteuerliche Kreuzfahrten mit Studienreisecharakter." Außerdem stehe nicht immer ein Fahrplan wie bei einer klassischen Kreuzfahrt im Mittelpunkt. "Wir haben nur einen ersten Plan, dass wir am Tag X in Region Y anlanden wollen. Vor Ort müssen wir dann schauen, was geht und was nicht", erklärt Susset. Dennoch gibt es einen festen Rahmen, wie Helge Grammerstorf, National Director des Branchenverbands Clia Deutschland, erklärt: "Es steht immer fest, wann und wo die Reise beginnt und endet."

Sowohl Skjeldam als auch Susset betonen darüber hinaus die Bedeutung von Vorträgen und einer fachkundigen Reisebegleitung. Biologen, Gletscherforscher, Historiker: Je nach Fahrtgebiet haben die Reedereien die unterschiedlichsten Experten an Bord, die Vorträge halten und bei Landgängen dabei sind. "Die Menschen wollen und sollen einfach etwas über die Region lernen, in der sie sich gerade aufhalten", sagt Skjeldam.

Die mit Abstand beliebteste Region für solche Reisen ist die Antarktis. Dahinter folgen Arktis und Südsee. "Unsere Schiffe haben im Grunde fast schon die ganze Welt befahren", sagt Susset. Doch immer noch gebe es auch weiße Flecken auf der Landkarte, wo die Schiffe aus den unterschiedlichsten Gründen bislang nicht hinkamen. Als Beispiel nennt Susset die Nord-Ost-Passage im Nordpolarmeer, die lange Zeit aus politischen Gründen nicht befahrbar war. Zehn Jahre lang arbeiteten die Mitarbeiter von Hapag-Lloyd Cruises an der Fahrt, die dann 2014 erstmals angeboten wurde.

Solch außergewöhnliche Kreuzfahrten haben ihren Preis. Bei Hapag-Lloyd Cruises muss man für eine 22-tägige Antarktisfahrt mindestens 12 000 Euro bezahlen. Die Gründe dafür sind laut Susset unter anderem die lange Reisedauer, die geringe Zahl an Passagieren bei vergleichsweise zahlreicher Besatzung, hohe Kosten für die Routenplanung und Umweltschutzaspekte. In der Antarktis dürfen Schiffe beispielsweise nur mit Diesel und nicht mit Schweröl fahren.

Susset beobachtet dennoch einen Boom bei Expeditionskreuzfahrten. "Das ist eine kleine, extrem beliebte Nische. Einige Fahrten sind bereits zwei Jahre im Voraus komplett ausgebucht. Bei der Nord-Ost-Passage hatten wir schon die ersten Anmeldungen auf dem Tisch, als es nur das Gerücht gab."

Wegen der hohen Kosten handelt es sich in aller Regel um wohlhabende Touristen . Aufgrund der längeren Reisedauer sind die Gäste im Durchschnitt auch etwas älter, so Susset. Bei kürzeren Reisen seien jüngere Gäste mit an Bord, sogar ganze Familien oder Großeltern mit ihren Enkeln. Wobei eine Expeditionsreise für kleine Kinder nicht unbedingt geeignet ist. Denn Komfort und Unterhaltung, wie man es vom heutigen Pauschaltourismus gewohnt ist, sucht man auf den Schiffen vergebens: "Wir haben kein Kasino, wir haben keine Kletterwand, wir haben keine 15 Swimmingpools", sagt Skjeldam. Wichtig ist vielmehr eine gute Sicht auf alles, was sich draußen vor dem Schiff abspielt.

Schließlich ist der Blick auf das Besondere das Hauptziel für die Passagiere : "Das sind Menschen, die schon sehr viel gesehen haben und jetzt noch das ganz Besondere haben wollen", so Skjeldam. Daneben treffe man an Bord vor allem "Menschen, die sehr lang für eine solche Tour gespart haben und sich damit einen Lebenstraum erfüllen."

Ein Faible für das Außergewöhnliche sieht auch Isolde Susset als Hauptmotiv ihrer Kunden. An Bord eines ihrer Schiffe kann man sich als Pionier fühlen - auf den Spuren der großen Entdeckungsreisenden: "Unsere Passagiere wollen Premieren - Reisen in Gebiete, die noch nie vorher jemand befahren hat, wie zum Beispiel die Marshallinseln."

 Wer auf arktische Entdeckungsreise gehen will, darf den Umstieg aufs enge Motorboot nicht scheuen. Foto: Poseidon Expeditions/DPA

Wer auf arktische Entdeckungsreise gehen will, darf den Umstieg aufs enge Motorboot nicht scheuen. Foto: Poseidon Expeditions/DPA

Foto: Poseidon Expeditions/DPA

Allerdings muss es gar nicht immer der Aufbruch zu ganz neuen Ufern sein. Susset hat als einen weiteren touristischen Trend "Expeditionen vor der Haustür" ausgemacht. Das kann eine Garten- und Wanderreise nach England sein oder eine Fahrt zu unbekannten kleinen Häfen im Nordland. "Da geht es darum, Altbekanntes neu zu erleben." Auch das Naheliegende kann also zum Abenteuer werden.

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