Unterwassermuseum Eine Welt tief unter der Wasseroberfläche

Lanzarote · Zwischen Fischen, Algen und Korallen: Vor der kanarischen Insel Lanzarote tauchen Besucher in ein ungewöhnliches Museum ab.

 Etwa 15 Meter unter der Wasseroberfläche in der Bucht Las Coloradas vor Lanzarote posiert dieses von Fischen umgebene Skulpturenpärchen für ein Selfie. Foto: Jason deCaires Taylor/CACT Lanzarote

Etwa 15 Meter unter der Wasseroberfläche in der Bucht Las Coloradas vor Lanzarote posiert dieses von Fischen umgebene Skulpturenpärchen für ein Selfie. Foto: Jason deCaires Taylor/CACT Lanzarote

Foto: Jason deCaires Taylor/CACT Lanzarote

Der Besuch des Museo Atlántico an der Südspitze der spanischen Kanaren-Insel Lanzarote ist schon etwas umständlich. Dafür hält das Museum einige Abenteuer bereit: Zunächst gilt es, sich bis auf die Badehose auszuziehen. Kurz darauf schlüpfen Besucher in einen Neoprenanzug, legen sich einen Gürtel mit Gewichten um, ziehen sich Maske, Flossen und ein Tauchgerät an. Dann wirft Carlos Campaña den Motor seines Schlauchboots an. Die Fahrt vom Jachthafen Marina Rubicón zum Museum in der Bucht vor dem Strand Las Coloradas dauert nur fünf Minuten. Bevor es hinab ins Museum geht, kontrolliert Carlos, ob auch genügend Sauerstoff in den Flaschen ist und die Geräte auch alle richtig funktionieren: "Ich möchte da unten keine bösen Überraschungen erleben."

Wie die meisten anderen Tauchschulen mit einer Lizenz für die wohl ungewöhnlichste Museumsführung der Welt, hat auch Carlos in seinem Tauchzentrum "Lanzarote Non Stop Divers" immer mehr Kunden, die Europas größten Unterwasser-Skulpturenpark kennenlernen möchten. Dabei wurden die letzten der insgesamt rund 300 Skulpturen erst Ende Dezember versenkt. Das Unterwasser-Museum wurde von dem britischen Bildhauer Jason deCaires Taylor ins Leben gerufen. Schon seit vielen Jahren macht er mit seiner einzigartigen Unterwasser-Kunst auf sich aufmerksam. 2015 gingen etwa die Bilder seiner vier apokalyptischen Reiter in der Londoner Themse um die ganze Welt.

Langsam gleitet Carlos mit seinen Gästen 15 Meter hinab in die Tiefe. Schon von weitem sind im weißen Sand auf dem Meeresgrund mehrere schwarze Punkte zu sehen. Je näher man taucht, umso klarer zeigen sich die Konturen einer Figuren-Gruppe. Die Beton-Skulpturen stellen fünf Kinder dar, die in sogenannten Jolateros sitzen. "Jolateros" sind aus Ölfässern gebaute Boote, mit denen Kinder auf Lanzarote traditionelle Wettrennen austragen.

Ein paar Flossenschläge weiter steht eine andere Bootsskulptur. Auf dem "Floß von Lampedusa" sitzen dicht gedrängt Menschen: Kinder, Frauen, Männer mit leidendem Gesichtsausdruck. "Mit diesem Werk möchte ich zum Nachdenken über das Flüchtlingsdrama in Europa anregen", erklärt Jason deCaires Taylor. Wie die italienische Insel Lampedusa waren auch die Kanaren vor der Westküste Afrikas jahrelang Ziel zigtausender afrikanischer Bootsflüchtlinge, erklärt der Künstler in seinem Atelier im Jachthafen Marina Rubicón.

Die ersten, vor knapp einem Jahr versenkten Beton-Skulpturen sind schon von Fischen, Algen und ersten Korallen bevölkert. "Die Strömungen, die Flora und Fauna verändern stetig meine Kunst, machen sie lebendig", sagt Taylor.

Carlos Campaña führt seine Gäste vorbei an Taylors Skulptur eines gesichtslosen Pärchens, das ein Selfie von sich schießt. Wenige Meter weiter schweben die Taucher begleitetet von Dutzenden Barrakudas durch die Skulpturen-Gruppe "El Rubicón". Die 35 Figuren marschieren alle in dieselbe Richtung, anscheinend ohne zu wissen, wohin es gehen soll. Die Szene einer immer orientierungsloser werdenden Gesellschaft wirkt gespenstig. Die Schwerelosigkeit beim Tauchen erlaubt dem Besucher, die Kunstwerke aus allen Winkeln zu betrachten. Damit nicht nur Taucher Taylors Unterwasserkunst kennenlernen können, sollen demnächst auch Glasboote und sogenannte Tauchhelme zum Einsatz kommen.

Schon seit einigen Jahren setzt Lanzarote immer mehr auf originelle Kulturprojekte dieser Art. Zwar nicht ganz so abenteuerlich wie das Museo Atlántico, aber mindestens genau so originell ist das José Saramago Haus. Der portugiesische Schiftsteller verbrachte die letzten 18 Jahre seines Lebens auf Lanzarote. 1998 erhielt er als erster Portugiese den Nobelpreis für Literatur. Sein Haus, in dem er 2010 starb, wurde vor fünf Jahren zum Museum. Alles wurde genauso belassen wie zu Lebzeiten des Künstlers. Auf dem Schreibtisch steht der alte Computer, auf dem Saramago Romane wie "Der Doppelgänger"oder "Die Reise des Elefanten" schrieb. Im Bücherregal stehen Familien-Fotos, in einer Glasvitrine seine Füllfeder-Sammlung. Tiefe Einblicke in sein ganz privates Leben. Unweigerlich kommt das Gefühl auf, Saramago könnte gleich aus dem Nachbarzimmer hereinspazieren und seinen Gast persönlich begrüßen - oder ihm einen Kaffee anbieten. So wie er es früher häufig bei seinen Gästen getan haben soll. Und diese Tradition pflegt man beim Museumsrundgang auch heute noch.

Zum Thema:

Das Museo Atlántico hat ganzjährig geöffnet und kann von großen und kleinen Tauchern ab acht Jahren besucht werden. Besucher dürfen das Museum nur in Begleitung eines zertifizierten Tauchunternehmens erkunden. Startpunkt ist der Hafen Marina Rubicón im Süden der Insel. Mehr Infos und Bilder gibt es hier.

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