Die ganze Insel im tiefen Winterschlaf

Sylt · Im Winter wirkt Sylt wie ein stillgelegter Rummelplatz. Verlassene Strände, einsame Promenaden und kaum besuchte Restaurants prägen das Bild.

 Nach einem ruhigen Winterspaziergang am Morsum-Kliff lädt das Landhaus Severin's zu einer heißen Tasse Ostfriesentee ein. Foto: Christine Maack

Nach einem ruhigen Winterspaziergang am Morsum-Kliff lädt das Landhaus Severin's zu einer heißen Tasse Ostfriesentee ein. Foto: Christine Maack

Foto: Christine Maack

Die Sonne steht tief und verwandelt den gelben Sand am Morsumer Kliff in Goldstaub. Ein paar Wildkaninchen hoppeln durch die Dünen, über dem Watt kreisen Brandgänse, deren leiser Flügelschlag zu hören ist. Sonst ist es still. Sylt im Winter.

Wenn über ganz Deutschland ein graues Wintertief lastet, schaffen es die nordischen Götter zuweilen, nur Sonne auf ihre Inseln zu schicken. Manchmal auch Wind, aber nicht immer.

Sie haben etwas Magisches, diese sanften Wintertage auf Sylt. Im Vergleich dazu ist der Sommer eine rummelnde Veranstaltung - zu laut, zu überlaufen, zu nervig. Im Winter ist man allein mit dem Meer, dem Heidekraut, dem Moos und den Kaninchen. Es ist Erholung pur, denn alles fällt jetzt leichter.

In den besten Restaurants bekommt man problemlos einen Platz, in den Hotels sind die schönsten Zimmer noch frei und nirgendwo steht man sich für ein simples Fischbrötchen die Beine in den Bauch. Sogar in der legendären Sansibar in den Dünen vor dem Ort Rantum muss man sich mit dem Wunsch nach Essen nicht lästig vorkommen, sondern bekommt sofort seinen Fischteller mit Fensterplatz.

Natürlich sind einige Clubs geschlossen, und auch die Angeberei, die Sylt gerne angedichtet wird, scheint im Winter wie verschwunden. Statt wallender Designermäntel und hochhackiger Pumps tragen die Damen im Winter Sportjacken, Mützen und Stiefel. Damit lässt sich wunderbar über die weichen Sandwege wandern, etwa am Morsumer Kliff, wo die helle Wintersonne die Sandfarben der Abbruchkante leuchten lässt. Zwischen Wildrosen und Heidekraut thront das Landhaus Severin's wie eine Glucke auf dem höchsten Punkt des Kliffs, eine schönere Lage gibt es nirgendwo auf dem östlichen Teil der Insel. Das Haus bietet wunderbare Landhauszimmer mit viel Holz, hellen Leinenstoffen und einem eigenen Strandkorb auf der Terrasse.

Christina und Olaf, die das Landhaus leiten, haben im Winter Zeit für einen Schwatz mit ihren Gästen. Bei mildem Wetter kann man es sogar im Februar draußen auf der Sonnenterrasse gut aushalten, umgeben von Strandhafer und Heidekraut. Das Heidekraut steht so dicht, dass man von weitem den Eindruck bekommt, die Gäste säßen inmitten einer violetten Wuscheldecke.

Ab und zu schickt Donar aber auch an winterlichen Sylter Sonnentagen eine tiefschwarze Wolke vorbei, dann stürmt und heult der Wind eine halbe Stunde lang kräftig um die Insel. Auch wenn die Wolke so plötzlich abzieht wie sie gekommen ist, hinterlässt sie doch deutliche Spuren: Wege und Wiesen sind auf einmal ganz weiß. Das Wattenmeer bei Keitum sieht nach einem kurzen Sylter Schneeschauer aus, als hätte der örtliche Konditor eine Sahneschicht darüber gezogen. Die Möwen und die Gänse sind irritiert und lassen sich erst mal lieber auf dem Land nieder, sie trauen der seltsamen Veränderung nicht. Die Winterurlauber haben auf diesen Moment gewartet, sie hält jetzt nichts mehr im Haus, sie ziehen sich warm an und spazieren am Wattenmeer entlang. Von weitem erahnt man das Landhaus Serverin's auf dem 21 Meter hohen Kliff, obwohl die Sicht im Schnee verschwimmt. Denn das Reetdach ist so weiß gepudert wie die Wiesen, der Strandhafer und die Heidebüsche drumherum. Nach der Wanderung gibt's dort einen heißen Friesen-Tee mit Kandiszucker. Oder ein Omelett mit frischen Nordseekrabben - oder doch lieber einen Teller mit salzig-kühlen Royal-Austern? Nach einer Stunde ist die weiße Pracht meist wieder restlos geschmolzen. Macht nichts, der Winter auf Sylt kann mit und ohne Schnee sehr erholsam sein.

Zum Thema:

Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt Noch bis Anfang Mai können Besucher an Wattführungen im Weltnaturerbe teilnehmen und sich hautnah über das Zusammenspiel von Ebbe und Flut informieren. Im Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt erwarten Besucher außerdem Ausstellungen zu verschiedenen Themen wie "Klima, Wetter, Klimaforschung" oder "Kräfte der Nordsee". www.naturgewalten-sylt.de

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