Erschließungs-Kosten: Keine Nachforderung bei Verzögerung

Leipzig · Eine gute Nachricht für Grundeigentümer, die vor Jahren Erschließungskosten gezahlt haben. Wenn der Straßenbau sich verzögert, dann müssen sie unter Umständen nicht für die Mehrkosten bezahlen. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsprechung entsprechend geändert.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass Grundstückseigentümer, die sich mit der Gemeinde vertraglich über die Erschließungskosten geeinigt haben, nicht Jahre später für Mehrkosten herangezogen werden können, die im Wesentlichen inflationsbedingt entstanden sind (Az.: BVerwG 9 C 1.14 bis 5.14).
Der Fall: Die Stadt Menden (Sauerland) schloss Anfang der 1970er Jahre mit den Klägern der fünf Verfahren so genannte Ablösungsverträge. Darin verpflichteten sich die Kläger, die auf ihre Baugrundstücke entfallenden anteiligen Erschließungskosten bereits vor Fertigstellung der Erschließungsstraße zu zahlen. Damit sollte der nach der endgültigen Herstellung der Straße an sich fällige Erschließungsbeitrag vollständig abgegolten sein.
Die Betroffenen zahlten daraufhin Beträge zwischen 3 283 DM und 4 144 DM. Die Straße wurde jedoch erst 2007 fertig gestellt. Mittlerweile hatte sich der Erschließungsaufwand von den ursprünglich veranschlagten 261 272 DM (rund 133 249 Euro) auf 407 172 Euro erhöht. Daraufhin zog die Stadt die Grundeigentümer im Jahr 2012 - unter Anrechnung der in den 1970er Jahren geleisteten Zahlungen - zu Erschließungsbeiträgen zwischen 4 069 Euro und 6 426 Euro heran. Sie berief sich hierbei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1990, dem zufolge ein Nacherhebungsrecht besteht, wenn der auf das Grundstück entfallende Erschließungsbeitrag das Doppelte oder mehr als das Doppelte des vereinbarten Ablösungsbetrags ausmacht ("Missbilligungsgrenze").
Die Betroffen wehrten sich dagegen vor Gericht. Das Verwaltungsgericht Arnsberg gab den Klagen der Grundstückseigentümer statt und hob die angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide auf. Gegen diese Urteile wehrte sich die Stadt jeweils mit der Sprungrevision. Sie pochte auf Beachtung der Missbilligungsgrenze und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Diese Sprungrevisionen wies das Bundesverwaltungsgericht jedoch zurück. Gleichzeitig stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es an der Missbilligungsgrenze nicht festhält.
Begründung: Die vorliegenden Fälle eines rein preissteigerungsbedingten Überschreitens dieser Grenze zeigen, dass diese zu unangemessenen Ergebnissen zu Lasten des Bürgers führen kann. Auch soweit aus anderen, nicht preissteigerungsbedingten Gründen in Einzelfällen ein nicht mehr tolerierbares Missverhältnis zwischen der Belastung eines Grundstücks mit Erschließungskosten und dem ihm vermittelten Vorteil bestehen sollte, bedarf es keiner absoluten Grenze. Den bundesrechtlichen Vorgaben ist vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage unter Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen Rechnung zu tragen. Eine Steigerung des Erschließungsaufwandes, die im Wesentlichen inflationsbedingt ist, stellt danach ein ablösungstypisches Risiko dar und begründet keinen Anpassungsanspruch der Gemeinde.

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