Wenn das Eis kommt: Wo muss der Winterdienst zuerst hin?

Hamm · Kälte und Wasser auf der Straße ergeben Glatteis. Dann kann der Streudienst nicht überall sein. Also muss er bei den wichtigen Straßen anfangen.



Das Oberlandesgericht Hamm hat klargestellt, in welcher Reihenfolge verschiedene Straßen bei Glatteis gestreut werden müssen. Dabei kommt es nach Feststellung der Richter darauf an, wie wichtig die jeweilige Straße für die Infrastruktur ist. Allein die Meldung von Glatteisbildung verpflichtet eine Kommune demnach nicht zum Winterdienst auf Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung (Az.: 11 U 17/16).
Im konkreten Fall ging es um einen Unfall der Ehefrau des späteren Klägers. Sie fuhr im Januar 2013 mit dem Auto ihres Mannes, einem Dogde Durango, kurz nach 16:00 Uhr auf der Straße "Horringhausen" in Lüdenscheid. Diese wenig befahrene und außerhalb geschlossener Ortschaften liegende Straße schließt einige Häuser mit etwa 40 Bewohnern an das allgemeine Straßennetz an. Wegen Glatteisbildung verlor die Ehefrau des Klägers auf der bergab und kurvig verlaufenden Straße die Kontrolle über das Fahrzeug, das von der Fahrbahn abkam, sich überschlug und auf der Seite liegen blieb. Auf der Straße hatte die beklagte Stadt Lüdenscheid zuvor keinen Winterdienst durchgeführt, auch nicht nach der Meldung des Glatteises durch eine Bürgerin. Der Kläger sieht darin eine Verletzung der Räum- und Streupflicht und forderte von der Stadt etwa 11.300 Euro Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug.

Das Oberlandesgericht Hamm wies die Klage in zweiter Instanz ab. Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch zu, so der Zivilsenat. Die Stadt habe ihre Amtspflichten nicht verletzt. Inhalt und Umfang der einer Kommune obliegenden winterlichen Räum- und Streupflicht richte sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges seien zu berücksichtigen, ebenso seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Ergebe sich hieraus eine Räum- und Streupflicht, stehe sie bei Kommunen sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, so dass es auch auf ihre Leistungsfähigkeit ankomme. Zudem habe sich jeder Verkehrsteilnehmer gerade im Winter den ihm erkennbar gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen, so das Gericht.

Ausgehend hiervon sei schon im Bereich geschlossener Ortschaften anerkannt, dass eine Räum- und Streupflicht eine allgemeine Glättebildung voraussetze und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen. In einer derartigen Situation seien zunächst die Fahrbahnen der Straßen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu bestreuen. Erst danach seien weniger bedeutende Straßen- und Wegestrecken zu sichern. Außerhalb geschlossener Ortslagen seien lediglich die für den Kraftfahrzeugverkehr besonders gefährlichen Stellen zu bestreuen. Auf wenig befahrenen Straßen bestehe deswegen grundsätzlich keine Räum- und Streupflicht, sofern nicht besonders gefährliche Stellen bekannt seien, auf die sich ein Straßenbenutzer nicht einstellen könne.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergebe sich im zu entscheidenden Fall keine Räum- und Streupflicht und damit keine Pflichtverletzung der beklagten Stadt, so die Oberrichter. Die Straße "Horringhausen" befinde sich außerhalb geschlossener Ortschaften. Als wenig befahrene Straße, die nur wenige Häuser mit dem Straßennetz verbinde, fehle ihr die Verkehrswichtigkeit. Am Unfalltage habe es zudem lediglich an einzelnen Stellen Glatteisbildung gegeben. Auf Grund der untergeordneten Verkehrsbedeutung habe die Beklagte daher von einem Winterdienst auf der Straße - auch nach der gemeldeten Glatteisbildung - absehen dürfen.

Nach Feststellung des Gerichts habe die Stadt zudem davon ausgehen dürfen, dass sich die Anwohner den winterlichen Verhältnissen anpassen. Dass sie notfalls Schneeketten anlegen oder vom Befahren der Straße Abstand nehmen und zu Fuß gehen würden. Sehe man das anders, wäre die Kommune in dem durch zahlreiche Höhenunterschiede geprägten Gemeindegebiet gehalten, eine Vielzahl von Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung zu streuen. Dieser Aufwand sei ihr nicht zumutbar. Vor diesem Hintergrund, so die Richter abschließend, sei die Stadt auch nicht gehalten gewesen, einen Winterdienst in der Weise vorzuhalten, dass dieser von Gemeindeangehörigen durch eine bloße Meldung von Glatteisbildung abgerufen werden könne, ohne dass es auf die genannten Kriterien zur Verkehrsbedeutung der gemeldeten Straße ankomme.

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