Polizei-Kommissar wegen Verfolgung Unschuldiger verurteilt

Saarbrücken · Laut Aktenlage schien der Fall klar: Ein Demonstrant griff einen Polizisten an, der wehrte sich mit dem Stock. Aber ein Video zeigt: Es gab keinen Angriff auf den Beamten. Die Akten sind falsch. Nun sitzt der Polizist vor Gericht.

 Symbolfoto

Symbolfoto

Foto: dpa

Für den Polizeikommissar und Familienvater auf der Anklagebank geht es um Alles oder Nichts. In erster Instanz hatte das Amtsgericht den 33-Jährigen Ende 2014 wegen Verfolgung Unschuldiger und Körperverletzung zu eineinhalb Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Jetzt ging es vor dem Landgericht um die Frage, ob die Richter in zweiter Instanz bei dieser Linie bleiben. Und so war es. Die Berufung des Beamten wurde am Ende zurückgewiesen. Nun kann der Beamte noch Revision zum Oberlandesgericht einlegen und auf die dritte und letzte Instanz hoffen. Denn so viel ist klar: Sobald ein Beamter zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt wird, muss er bei Rechtskraft des Urteils automatisch den Staatsdienst verlassen. Das wäre im konkreten Fall das Ende der beruflichen Laufbahn des Mannes bei der Polizei.

Im Jahr 2004 hatte der spätere Angeklagte dort angefangen zu arbeiten, zwischen 2007 und 2014 war er bei der Bereitschaftspolizei. Ende Juli 2013 hatten er und seine Kollegen viel zu tun. Am Morgen waren sie gegen einen Drogenhändler im Einsatz. Gegen Mittag mussten sie zu einer Demonstration nach Saarbrücken. Dort hielten rechte Demonstranten eine Mahnwache für einen verurteilten Nazi-Verbrecher ab. Dagegen gingen linke Demonstranten auf die Straße. Dazwischen war die Polizei, die beide Seiten auseinander halten sollte. Das klappte aber nicht immer. Nach einer ersten handfesten Rangelei vor der Saar-Galerie gab es ein erneutes Gerangel auf dem Weg zum Bahnhof. Dabei schlug der besagte Polizeikommissar mit dem Schlagstock zu. Er traf einen 22-Jährigen an der Schläfe. Der junge Mann ging mit einer blutenden Kopfwunde zu Boden und wurde von Bekannten weggebracht. Er kam in eine Klinik und wurde dort behandelt.

Unterdessen berichtet der Polizist seinem Truppführer und dem Einheitsführer vom Einsatz des Schlagstockes. Dabei sei er sehr betroffen gewesen und habe sich Sorgen um den Verletzten gemacht, so die beiden Führungsbeamten als Zeugen vor Gericht. Sie forderten von dem Beamten einen Bericht, den er am nächsten Tag lieferte. Darin ist zu lesen, dass die Polizei vor Ort mehrfach von linken Demonstranten mit Faustschlägen angegriffen worden sei. Einer der Linken sei mit erhobenen Fäusten und lautem Geschrei auf ihn los. Daraufhin habe er sich bedroht gefühlt und mit dem Schlagstock in Richtung Schulter des Angreifers geschlagen - aber im Ablauf der Bewegungen habe er versehentlich den Kopf des Mannes getroffen. Dieser Vermerk ging seinen dienstlichen Gang und mündete in einem Ermittlungsverfahren gegen den linken Demonstranten wegen Verdachts des Landfriedensbruches und der Körperverletzung. Der Fall schien klar, auch mit Blick auf ähnliche Angaben eines anderen Polizisten. Motto: Der Polizist wurde im Einsatz tätlich angegriffen und hat sich gewehrt. Die entsprechende Anklage gegen den linken Demonstranten und seine anschließende Verurteilung durch ein Strafgericht schienen nur noch Formsache zu sein.

Aber dann war plötzlich alles anders. Einer der Demonstranten brachte ein Video zur Polizei, auf dem die ganze Situation vor Ort klar zu sehen ist. Man erkennt dort zwar ein kurzes Gerangel zwischen linken und rechten Demonstranten, das von einigen Beamten getrennt wird. Aber es gibt keine Faustschläge oder massiven Angriffe gegen die Polizisten. Stattdessen sieht man den 33 Jahre alten Angeklagten, der schräg von der Seite zu dem sich auflösenden Gerangel geht, ausholt und mit dem Stock zuschlägt. Dann geht er zurück in die Reihe seiner Kollegen, während der junge Demonstrant zu Boden geht und liegen bleibt.

Damit war der Vorwurf des Landfriedensbruches und der Körperverletzung gegen den 22-Jährigen vom Tisch. An seiner Stelle wurde der 33-Jährige Polizist erst zum Beschuldigten und dann zum Angeklagten. Besonders gravierend ist dabei der Straftatbestand der Verfolgung Unschuldiger. Hier droht im Regelfall eine Strafe von mindestens einem Jahr Gefängnis - für einen Beamten bedeutet dies die automatische Entfernung aus dem Dienst. Der Grund für diese hohe Mindeststrafe: Das Strafrecht will hier mit einem Paragrafen gleich zwei sehr hochrangige Rechtsgüter schützen. Zum einen die Grundrechte des zu Unrecht Beschuldigten. Und zum anderen die Zuverlässigkeit und Integrität der Rechtsordnung. Denn die Strafgerichte können nur dann ihre Arbeit richtig machen, wenn sie sich auf die Angaben von Polizisten, Staatsanwälten oder Richtern verlassen können. Wer hierbei trickst oder täuscht, der ist für das Rechtssystem nicht mehr tragbar und wird in der Regel auf Dauer ausgeschlossen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort