Urteil zu Hartz IV: Staat muss private Krankenversicherung voll bezahlen

Kassel/Saarbrücken · Tausende Empfänger von Arbeitslosengeld II, die privat krankenversichert sind, können aufatmen. Der Staat muss ihre Krankenkassenbeiträge in voller Höhe bezahlen. Das hat das Bundessozialgericht in einem Musterfall aus dem Saarland entschieden.

Kassel/Saarbrücken. Der Staat muss Empfängern von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) deren private Krankenversicherung in voller Höhe bezahlen. Es genügt nicht, wenn die Betroffenen lediglich einen Zuschuss in Höhe des niedrigeren Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung bekommen. Das hat das Bundessozialgericht in Kassel grundsätzlich in einem Musterfall aus dem Saarland entscheiden. Das Urteil betrifft bundesweit etwa 6000 privat krankenversicherte Hartz-IV-Empfänger.

Die Richter in Kassel bestätigten damit ein entsprechendes Urteil des Landessozialgerichts in Saarbrücken vom April 2010. Darin geht es um einen Saarländer, der nach der Gesundheitsreform als Hartz-IV-Empfänger nicht mehr in die günstigere, gesetzliche Krankenkasse wechseln konnte. Er musste privat versichert bleiben, bekam von der ARGE Saarbrücken dafür aber nicht die vollen Beiträge (207,39 Euro). Er erhielt lediglich einen Zuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung ín Höhe des Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung (129,54 Euro). Den Differenzbetrag zur teureren Privatversicherung - in seinem Fall rund 80 Euro pro Monat - sollte er nach dem Willen der ARGE selbst zahlen.

Ähnlich wie dem Saarländer geht es bundesweit etwa 6000 privat Krankenversicherten Hartz IV Empfängern, die je nach Einzelfall bislang Differenzbeträge bis zu 160 Euro im Monat tragen mussten. Sie sind die Opfer einer Finanzierungslücke bei den privat Versicherten, die 2009 im Zuge der damaligen Gesundheitsreform entstanden ist. Bis dahin kamen Hartz IV Empfänger automatisch in die gesetzliche Krankenversicherung und die ARGE übernahm die Beiträge dafür. Seit 2009 müssen privat Versicherte, die Hilfebedürftig werden, aber in der privaten Krankenversicherung bleiben - obwohl dort die Beiträge auch im Basistarif deutlich höher liegen.

Die Sozialbehörden wollten bislang für die entsprechenden Mehrkosten nicht gerade stehen. Nach dem Urteil aus Kassel haben sie jetzt aber keine andere Wahl. Sinngemäße Begründung der Richter: Der Sozialstaat müsse den Betroffenen eine Krankenversicherung bezahlen. Und wenn dies zwingend eine Privatkasse sei, dann müsse der Staat eben deren Kosten übernehmen. "Mit diesem Urteil ist eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit beseitigt worden", sagte Sabine Horner, die Anwältin des Saarländers gegenüber unserer Zeitung. Das aktuelle Ergebnis sei deshalb ein Sieg für den Sozialstaat. Es sei aber gleichzeitig auch eine große Last für den Steuerzahler. Der Einzige, der daran etwas ändern könne, sei der Gesetzgeber. Der müsse jetzt handeln, wenn er es kostengünstiger für die Allgemeinheit haben wolle. wi

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