Schleich-Tempo auf Autobahn: Wer zahlt bei Auffahr-Unfall?

Brandenburg · Vorne ein PKW mit Tempo 38 auf der Autobahn. Von hinten ein LKW. Das ging nicht gut aus und wurde ein Fall für die Justiz.

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Foto: Jens Büttner (dpa-Zentralbild)

Auf den ersten Blick ist die Sache nach einem Auffahrunfall oft klar: Wer auffährt, der ist allein schuld. Aber dieser Beweis des ersten Anscheins kann im Einzelfall mehr oder weniger entkräftet werden. So hat das Oberlandesgericht Brandenburg nach einem Auffahrunfalls auf einer Autobahn entschieden, dass beide Fahrer zu jeweils 50 Prozent haften. Sie sprachen dem vorausfahrenden Fahrer deshalb eine Mitverantwortung an dem Unfall zu, weil er auf der Autobahn ohne ersichtlichen Grund mit lediglich 38 km/h gefahren war. Gleichzeitig sei aber auch der auffahrende LKW-Führer verantwortlich für den Unfall, weil er den Anscheinsbeweis eines Abstandsverstoßes nicht entkräften konnte (Az.: 12 U 121/15).

In dem vom Rechtsportal Juris veröffentlichten Fall hatte der Fahrer des vorausfahrenden PKW geklagt. Er fuhr auf der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 38 Kilometern pro Stunde, als der Lkw-Fahrer hinten auffuhr. Der Kläger behauptete daraufhin, vor ihm sei ein Transporter eingeschert. Deshalb habe er abbremsen müssen und sei so langsam gewesen. Der LKW-Fahrer sei demnach allein schuld an dem Unfall. Er habe nicht genügend Sicherheitsabstand eingehalten.

Dieser Argumentation folgte das Oberlandesgericht nur zum Teil. Nach Auffassung der Richter ist der Kläger deutlich zu langsam gefahren. So dürfe die Mindestgeschwindigkeit von 60 km/h auf einer Autobahn zwar unterschritten werden, soweit dies nicht zur Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer führe. Im vorliegenden Fall sei der Kläger jedoch lediglich 38 km/h gefahren. Und dies ohne triftigen Grund. Seiner Behauptung, er habe wegen des Fahrspurwechsels eines Transporters von seinen 120 km/h abbremsen müssen, sei nicht zu glauben. Der Kläger hatte nämlich auch vorgetragen, dass er lediglich sachte beziehungsweise mäßig abgebremst habe. Dies würde aber nicht seine Geschwindigkeit von 38 km/h erklären. Hierzu hätte er abrupt abbremsen müssen, so die Richter.

Und grundsätzlich weiter: Die Autobahn diene dem Schnellverkehr. Mit einer solch niedrigen Geschwindigkeit müssten nachfahrende Kraftfahrer deshalb nicht automatisch rechnen. Dies befreie den LKW-Fahrer aber nicht von seiner (Mit)Haftung. Er hafte ebenfalls zu 50 Prozent. Der Auffahrende habe den Anscheinsbeweis nicht entkräften können, dass er den Sicherheitsabstand nicht ausreichend eingehalten habe. Grundsätzlich müsse man auch auf der Autobahn damit rechnen, dass das vorausfahrende Fahrzeug aus verkehrsbedingten Gründen verlangsame oder abbremse. Deshalb eine Quote von 50 zu 50 im konkreten Fall.

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