Anwälte warnen Raser: Wer schnell fährt, der muss bei Unfall (mit)haften

Koblenz · Schlechte Zeiten für die Freunde hoher Geschwindigkeiten auf der Autobahn. Wer auf der Überholspur Tempo 170 oder mehr fährt, der riskiert eine automatische Mithaftung bei einem Unfall.

Was die Politik nicht schafft, könnte ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz erreichen. Danach ist jemand, der mit Tempo 200 über die Autobahn rast, fast automatisch mit Schuld an einem Unfall. Motto: Wer auf Autobahnen die Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde um rund 60 Prozent massiv überschreitet, führt zu Gunsten seines eigenen schnellen Fortkommens den Spielraum zur Vermeidung eines Unfalls nahezu gegen Null zurück. Eine solche Geschwindigkeit ermöglicht es in der Regel nicht mehr, Unwägbarkeiten in der Entwicklung von Verkehrssituationen rechtzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen. Auch bei einem schwerwiegenden Verkehrsverstoß des Unfallgegners führt dies zu einer Mithaftung. Im konkreten Fall in Höhe einer Quote von 40 Prozent des Schadens (Az.: 12 U 313/13).

Das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit birgt demnach erhebliche juristische Risiken, warnt die Rechtsanwaltskammer des Saarlandes. Schnelles Autofahren in Deutschland sei auf Autobahnen zwar mancherorts weiterhin ohne Geschwindigkeitsbeschränkung erlaubt. Allerdings gelte bundesweit eine Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern. Das bliebe nicht ohne Folgen. "Wobei vielen Autofahrern nicht bewusst ist, dass sie bei einem erheblichen Überschreiten dieser Richtgeschwindigkeit meistens mit haften - und zwar auch dann, wenn der Unfallgegner sich einen groben Fahrfehler erlaubt hat", warnt Rechtsanwalt Wolfgang Kirsch .

So wie im Fall des Oberlandesgerichts Koblenz, wo der maßgebliche Unfallverursacher unmittelbar von der Einfädelspur der Autobahn auf die Überholspur gewechselt war. Aus Sicht der Richter hat sich anschließend "die von der hohen Geschwindigkeit des Beklagten ausgehende Gefahr in geradezu klassischer Weise verwirklicht." Bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde hätte der Unfall demnach bereits durch eine mittelstarke Bremsung vermieden werden können. Den Raser treffe daher bei Abwägung der Verursachungsbeiträge trotz des Fehlverhaltens des anderen Fahrers eine erhebliche Mithaftung für den Unfall.

Ähnlich hat nach Auskunft der Anwaltskammer auch das Oberlandesgericht Stuttgart bei einer Geschwindigkeit zwischen 170 und 190 Kilometern entschieden (Az.: 3 U 122/09). Das Gericht habe dem Auffahrenden aber nur einen 20-prozentigen Mitverschuldensanteil aufgebürdet. "In dem Fall war ein Autofahrer ohne nach links zu schauen, direkt von der Autobahnauffahrt auf die Autobahn gewechselt", erinnert sich Rechtsanwalt Kirsch. Sein Fazit: In der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung werde die Empfehlung ausgesprochen, auf Autobahnen nicht schneller als 130 Stundenkilometer zu fahren. Die Nichtbeachtung dieser Empfehlung allein begründe zwar keinen Schuldvorwurf. "Schneller fahrenden Autofahrern, denen es nicht gelingt, nachzuweisen, dass der Unfall auch bei einer Geschwindigkeit von 130 geschehen wäre, müssen aber mit negativen zivilrechtlichen Konsequenzen rechnen". red/wi

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort