Was passiert, wenn Eltern nach der Trennung über ihre Kinder streiten

Hamm · In erster Linie geht es nicht um das eigene Ego sondern um das Wohl der Kinder. Manche Eltern vergessen dies nach der Trennung vom Ex-Partner. Und ihre Kinder leiden. Dann sind die Gerichte am Zug und müssen über Sorge – und Umgangsrecht entscheiden.

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Grundsatzurteil klar gemacht, dass nach der Trennung von nicht verheirateten Eltern das Wohl der gemeinsamen Kinder die entscheidende Messlatte für die Erteilung des Sorgerechts über den Nachwuchs ist. Das kann dann im Ergebnis auch dazu führen, dass ein Elternteil ausgeschlossen wird.

Im konkreten Fall geht es um ein nicht verheiratetes Paar aus Gelsenkirchen, das dort in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebte. Die beiden haben einen gemeinsamen Sohn, der im Jahr 2006 geboren worden ist. Rund sieben Jahre später trennte sich das Paar. Die Mutter und der Sohn zogen ins Oldenburger Land. Zuvor hatten sich die Eltern in einem ersten familiengerichtlichen Verfahren auf ein dem Vater zustehendes Umgangsrecht mit dem Kind verständigt. Das genügte dem Mann offenbar nicht. Er beantragte beim zuständigen Familiengericht zudem, beiden Elternteilen das gemeinsame Sorgerecht und ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind einzuräumen. Der Antrag blieb in erster Instanz beim Amtsgericht erfolglos. Der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm bestätigte diese Entscheidung des Familiengerichts.

In der Begründung hat der Senat die Anforderungen an eine solche Sorgerechtsentscheidung gemäß Paragraf 1626a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) präzisiert: Demnach stehe die elterliche Sorge für das Kind bei nicht verheirateten Eltern zunächst allein der Kindesmutter zu (Paragraf 1626a Absatz. 3 BGB). Auf Antrag eines Elternteils übertrage das Familiengericht die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspreche (1626a Absatz. 1, Absatz 2 Satz. 1 BGB). Letzteres werde vom Gesetz vermutet, soweit der andere Elternteil keine entgegenstehenden Gründe vortrage (Paragraf 1626a Absatz. 2 Satz 2 BGB).
Zwischenfazit des Familiensenats: Mit dieser seit Mai 2013 geltenden Fassung formuliere das Gesetz eine "negative" Kindeswohlprüfung für die Anordnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge unverheirateter Eltern. Diese setze voraus, dass auch eine erstmalige Einrichtung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widerspreche. Das erfordere eine hinreichend tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern, ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen sowie ihre grundsätzliche Fähigkeit zum Konsens. Demgegenüber habe die Alleinsorge der Mutter bestehen zu bleiben, wenn - über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinausgehend - die Eltern keine das Kind betreffenden, gemeinsamen Entscheidungen finden könnten und das Kind durch eine gemeinsame elterliche Sorge erheblich belastet würde.

Die Richter weiter: Die Entscheidung für eine gemeinsame elterliche Sorge sei eine Prognoseentscheidung. Dabei dürften die Zugangsvoraussetzungen zu einer gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden. Es lasse sich möglicherweise nicht immer sicher prognostizieren, dass zwischen Eltern jegliche tragfähige soziale Beziehung fehle und ein Mindestmaß an Übereinstimmung nicht erzielbar sei. Vor diesem Hintergrund könnte es hinzunehmen sein, dass unter Umständen erst nach einer Phase der "Erprobung" festzustellen sei, ob die erstmals angeordnete gemeinsame elterliche Sorge tatsächlich funktioniere. Allerdings - so das Oberlandesgericht - sei die Grenze da zu ziehen und die alleinige Sorge der Kindesmutter vorzuziehen, wo es gänzlich an einer Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit und/oder der entsprechenden Bereitschaft der Kindeseltern fehle und voraussichtlich auch mit professioneller Hilfe keine Aussicht auf Besserung bestehe. In diesem Fall sei davon auszugehen, dass bereits eine Phase des Erprobens der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl schade.

Gemessen an den vorstehenden Kriterien komme die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge im zu entscheidenden Fall nicht in Betracht. Der Senat habe ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt und die Beteiligten persönlich angehört. Hieraus habe sich ergeben, dass die Kindeseltern bis heute - drei Jahre nach ihrer endgültigen räumlichen Trennung - hoch zerstritten seien. Beiden fehle die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zu einem Aufeinanderzugehen. Die Anordnung einer gemeinsamen Aufenthaltsregelung scheide ebenfalls aus. Beiden Kindeseltern fehle bereits ein verbindliches Einvernehmen in Bezug auf den Alltagsaufenthalt des Kindes. Einem Modell mit häufiger wechselnden Aufenthaltsorten des Kindes stehe zudem die Entfernung der Wohnorte der Kindeseltern entgegen (Az.: 3 UF 139/15)

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