Krankenkasse will gelähmtem Mann Urinbeutel rationieren und Trinkmenge vorschreiben

Dresden · Nach einem Unfall ist ein Motorradfahrer querschnittsgelähmt und braucht Urinbeutel. Er sagt, dass er am Tag dreieinhalb Liter trinkt. Das ist zu viel, meint die Krankenkasse und bewilligt nur Beutel für zweieinhalb Liter.

 Die modellhafte Nachbildung der Justitia steht neben einem Holzhammer und einem Aktenstapel. (Symbolbild)Location:Duisburg

Die modellhafte Nachbildung der Justitia steht neben einem Holzhammer und einem Aktenstapel. (Symbolbild)Location:Duisburg

Foto: Volker Hartmann (dpa)

Eine gesetzliche Krankenkasse darf einem Versicherten mit Querschnittslähmung nicht dessen tägliche Trinkmenge vorschreiben. Insbesondere steht es der Kasse nicht zu, durch die Gewährung oder Nicht-Gewährung von Kathetern und Urinbeuteln das individuelle Trinkbedürfnis zu reglementieren. Das hat das Sozialgericht Dresden kürzlich entschieden (Aktenzeichen: S 47 KR 105/13).

In dem vom Rechtsportal Juris veröffentlichten Fall geht es um einen 39 Jahre alten Mann. Er hat bei einem Motorradunfall eine Niere verloren und ist seitdem querschnittsgelähmt. Wenn er seine Blase entleeren möchte, dann muss er sich selbst einen Katheter legen und den Urin in einen Beutel leiten. Der Mann gibt an, täglich etwa dreieinhalb Liter zu trinken. Das hält seine Krankenversicherung für "unphysiologisch" und nicht medizinisch notwendig. Sie bewilligte dem Versicherten deshalb lediglich die Anzahl Katheter und Bettbeutel, die bei einer täglichen Trinkmenge von zweieinhalb Litern erforderlich sind.

Der Mann verlangt daraufhin von der Kasse die Versorgung mit weiteren Kathetern und Urinbeuteln. Zur Begründung verweist er auf sein erhöhtes individuelles Trinkbedürfnis. Das Sozialgericht Dresden gab der Klage des Mannes nach Lektüre der medizinischen Unterlagen überwiegend statt. Urteil der Richter: Die Menschenwürde verbietet es, hinsichtlich des individuellen Trinkbedürfnisses von Durchschnittswerten auszugehen. Der erhöhte Katheter- und Bettbeutelverbrauch beruhe zudem auf dem persönlichen Sicherheitsbedürfnis des Klägers. Auch diesbezüglich sei die Krankenversicherung nicht berechtigt, den Kläger zu reglementieren. Das Sozialgericht verurteilte die Krankenkasse deshalb zur Versorgung des Mannes mit acht statt der bewilligten sechs Katheter und Bettbeutel pro Tag. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die beklagte Krankenkasse hat wohl Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht in Chemnitz eingelegt.

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