Hirnhautentzündung spät erkannt: Kind verliert beide Unterschenkel

Oldenburg · Tragischer Fall: Ein Junge kommt mit hohem Fieber in die Klinik. Aber seine Hirnhautentzündung wird zunächst nicht erkannt, die notwendige Behandlung beginnt zu spät. Der Junge verliert beide Unterschenkel. Seine Eltern klagen nun gegen das Krankenhaus.

 SymbolbildLocation:Frankfurt:Oder

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Foto: Patrick Pleul/dpa

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat ein ostfriesisches Krankenhaus grundsätzlich dazu verurteilt, einem Kind wegen einer zu spät erkannten Hirnhautentzündung Schadensersatz zu leisten (Az.: 5 U 156/13).

Im konkreten Fall geht es um das Schicksal eines kleinen Jungen. Als er fünf Jahre alt war, wurde er am Nachmittag des 12. Mai 2011 mit Schüttelfrost und hohem Fieber in ein ostfriesisches Krankenhaus eingeliefert und dort stationär aufgenommen. Die Ärzte leiteten eine Infusionstherapie ein. Der Zustand des Kindes besserte sich jedoch nicht. Im Laufe des Abends und der Nacht erbrach der Junge mehrfach. Gegen 4.00 Uhr nachts löste sich dabei die Infusionsnadel. Der von der Mutter des Kindes herbeigerufene Pfleger sah jedoch keinen Handlungsbedarf. Gegen 7.00 Uhr informierte eine Krankenschwester den Dienst habenden Arzt darüber, dass sich am Körper des Kindes ungewöhnliche Hautverfärbungen zeigten. Die Ärzte vermuteten eine Hirnhautentzündung und begannen sofort mit einer Notfallversorgung. Eine Laboruntersuchung bestätigte den Verdacht.

Der Junge wurde umgehend in ein Oldenburger Klinikum verlegt. Am ganzen Körper und im Gesicht zeigten sich blau-schwarze Haut- und Muskelnekrosen (Gewebeschäden, die durch das Absterben von Zellen entstehen). Zwei Wochen später wurde der Fünfjährige in ein Hamburger Kinderkrankenhaus verlegt. Dort amputierte man ihm beide Unterschenkel. Außerdem erfolgten zahlreiche Haut- und Muskeltransplantationen. Der Junge muss bis heute einen Ganzkörperkompressionsanzug sowie eine Kopf- und Gesichtsmaske tragen, um eine wulstige Narbenbildung zu vermeiden.

Vor dem Landgericht Aurich klagte der Junge, vertreten durch seine Eltern, in erster Instanz gegen das erste Krankenhaus auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 350.000 Euro und Schadensersatz. Er macht geltend, dass die Hirnhautentzündung grob fehlerhaft zu spät erkannt worden sei. Spätestens gegen 4.00 Uhr nachts habe Handlungsbedarf bestanden. Die Hautverfärbungen hätten bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen und seien vom Dienst habenden Pfleger erkannt worden. Es hätte sofort ein Arzt gerufen und eine Notfallbehandlung eingeleitet werden müssen. Zum Beweis für das Vorliegen der Hautverfärbungen in der Nacht legten die Eltern des Jungen zwei Fotos vom Handy der Mutter vor, auf denen diese deutlich zu erkennen sind. Das Krankenhaus wies den Vorwurf eines Behandlungsfehlers von sich und bestritt, dass die zwei Bilder den Zustand des Jungen in der Nacht zeigten.

Das Landgericht gab der Klage dem Grunde nach in erster Instanz statt. Diese Entscheidung bestätigte jetzt das Oberlandesgericht. Der 5. Zivilsenat hatte zuvor das Handy der Mutter durch einen technischen Sachverständigen auswerten lassen. Der kam zu dem Ergebnis, dass die von den Eltern vorgelegten Bilder in jener Nacht aufgenommen worden sind. Fazit der Richter: Die Hautverfärbungen hätten bereits vorgelegen, als der Dienst habende Pfleger gegen 4.00 Uhr im Zimmer des Kindes erschienen sei. Der Pfleger habe den Zustand des Fünfjährigen erkannt und dennoch keinen Arzt hinzugezogen. Dies stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Es hätte umgehend mit einer Notfalltherapie begonnen werden müssen. Dadurch wäre in jedem Fall ein besseres Ergebnis erzielt worden, so die Oberrichter. Über die Details und damit über die Höhe des Schmerzensgeldes sowie der Schadensersatzansprüche hat nun das Landgericht Aurich zu befinden.

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