Sie kann weder lesen noch schreiben - Türkische Mutter (61) muss in Integrationskurs

Karlsruhe · Seit über 30 Jahren lebt eine türkische Frau mit ihrer Familie in Deutschland. Die 61-jährige Mutter von sechs Kindern ist Analphabetin. Nun muss sie in einen Integrationskurs gehen.

Karlsruhe. Eine 61-Jährige Analphabetin aus der Türkei, die seit über 30 Jahren in Deutschland lebt, muss nun in einem Integrationskurs Deutsch lernen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat laut Rechtsportal Juris entschieden, dass die Frau zur Teilnahme an einem solchen Integrationskurs verpflichtet werden kann, weil sie sich noch nicht einmal auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (Az.: 4 K 2777/11).

Die Betroffene war im Alter von 30 Jahren im Wege des Familienachzugs nach Deutschland zu ihrem türkischen Ehegatten gekommen. Sie hat sechs Kinder, die alle die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Ihr Ehemann ist Inhaber eines Lebensmittelladens. Anlässlich einer Vorsprache in einem Amt stellte die Ausländerbehörde fest, dass die Frau sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Sie verpflichtete die Frau daher zur Teilnahme an einem Integrationskurs.

Dagegen wehrte sich die 61-Jährige und machte geltend, sie habe ihre Integration durch ihren langjährigen Aufenthalt in Deutschland unter Beweis gestellt. Ihre sechs Kinder seien gut ausgebildet und zahlten Steuern. Wegen der Berufstätigkeit ihrer Kinder müsse sie die Enkelkinder betreuen. Ihre Sprachdefizite seien nicht auf fehlende Integration zurückzuführen, sondern darauf, dass sie Analphabetin sei. Wegen ihres Alters sei sie nicht mehr in der Lage, an einem solchen Kurs teilzunehmen. Dies "gehe nicht in ihren Kopf".

Das Verwaltungsgericht folgte dieser Argumentation nicht. Nach Auffassung der Richter hat die Ausländerbehörde die Klägerin zu Recht zur Teilnahme am Integrationskurs aufgefordert. Die Frau sei, wie das Gesetz es voraussetze, in besonderer Weise integrationsbedürftig. Sie könne sich nicht in deutscher Sprache verständigen. Das habe sich auch in der mündlichen Verhandlung vor Gericht gezeigt, in der sie kein Wort Deutsch gesprochen habe.

Das Gericht weiter: Es bestehe ein besonders hohes staatliches und gesellschaftliches Interesse daran, dass sich alle auf Dauer in Deutschland lebenden Ausländer zumindest auf einfache Art sprachlich verständigen könnten. Die vom Gesetz geforderte Integration lasse sich durch die Integration ihrer Kinder nicht kompensieren. Die Teilnahme am Integrationskurs sei der Klägerin auch zumutbar. Ihr Einwand, "dies gehe nicht in ihren Kopf", überzeuge nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung nicht. In der näheren Umgebung des Wohnorts der Klägerin würden Kurse angeboten, die auf Analphabeten und Personen zugeschnitten seien, die noch nie im Leben eine Schule besucht hätten. Die Betreuung ihrer Enkelkinder sei mit der Teilnahme an einem Integrationskurs vereinbar; denn die Unterrichtsangebote würden auf solche Bedürfnisse abgestimmt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. red/wi

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