Richter wollen Kinder im Internet besser schützen

Saarbrücken · Es ist ein Millionengeschäft. Bislang können Kinder bei an sich kostenlosen Rollenspielen im Internet zusätzliche Spielpunkte via Telefon kaufen. Bezahlen müssen dann regelmäßig die Eltern, zuletzt in einem Fall gar 14 782 Euro. Diese Praxis steht vor der 10. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken nun auf dem Prüfstand.

Saarbrücken. Richter der 10. Zivilkammer des Landgerichts Saarbücken wollen Familien künftig besser vor Kostenfallen bei Rollenspielen im Internet schützen. Zwei Verfahren sollen zu Musterprozessen werden. In den mündlichen Verhandlungen dazu kündigte der Vorsitzende Richter Stefan Geib an, dass man die bislang bundesweit übliche Praxis wohl kippen werde, wonach Eltern für ihre Kinder im Extremfall mehrere Tausend Euro bezahlen müssen.

Eine andere Zivilkammer des Landgerichts hatte Anfang 2009 noch einen Vater zur Zahlung von 14 782 Euro verurteilt. Dieser Betrag stand auf der Telefonrechnung für die Nutzung von Premiumdiensten über die Wahl einer 0190/0900 Telefonnummer. Es ging dabei um virtuelle „Drachenmünzen“ in einem eigentlich kostenlosen Fantasy-Spiel im Internet. Das Spielgeld hatten wohl der 12-jährige Sohn des Mannes und dessen Freund gekauft. Bezahlen im wirklichen Leben musste der Vater. Begründung: Er sei der Inhaber des Telefonanschlusses und müsse für dessen Nutzung, also auch Anrufe bei kostenpflichtigen Nummern, geradestehen. Er hafte auch für andere Nutzer. Verhindern könne er dies nur, indem er das Telefon oder besagte Rufnummern sperren lässt.

Von diesem Urteil zu Gunsten der Telefonanbieter will das Landgericht nun in zwei Musterfällen abrücken. Im ersten Fall sollen die Eltern 2800 Euro für den Kauf von virtuellen „Rubinen“ bezahlen. Ihr minderjähriger Sohn hatte sie bei einem Rollenspiel im Internet erworben, um damit als Gladiator im alten Rom voranzukommen. Dafür musste der Junior jeweils bei einer auf dem Bildschirm angegebenen 0900-Nummer anrufen, einen kurzen Code eingeben und schon waren die „Rubine“ im Spiel – und pro Anruf zwischen 9,95 und 19,95 Euro auf der Telefonrechnung der Eltern. In dem zweiten Fall geht es erneut um besagte „Drachenmünzen“ in dem Fantasy-Spiel und um echte 1800 Euro für die Nutzung des Premiumdiensts per Telefon.

In beiden Verhandlungen wies der Vorsitzende Richter Stefan Geib darauf hin, dass die 10. Zivilkammer die Rechtslage anders sehe als die Kläger und andere Gerichte. Im Gegensatz dazu wolle man mehr auf dem gesetzlichen Schutz von Minderjährigen im Zivilrecht abstellen. Schließlich stehe ganz am Anfang der Internet-Fälle ein Minderjähriger, der via Telefon ohne Zustimmung der Eltern virtuelle Leistungen einkauft. Das sei so ähnlich, als wenn er Geld aus Vaters Geldbeutel stehle und es an Spielautomaten ausgebe. In diesem Fall sei das Geschäft des nicht voll geschäftsfähigen Minderjährigen unwirksam. Die Folge: Der Vater könne das entwendete Geld von seinem Sohn verlangen. Und der Sohn habe gegen den Geschäfteinhaber einen Anspruch auf Rückabwicklung und damit Herausgabe des Geldes. Diesen trete er an den Vater ab, oder der Vater mache ihn selbst im Rahmen der sogenannten Durchgriffskondiktion gegen den Geschäftspartner des Sohnes geltend. Zu bekommen habe der Inhaber der Spielhalle in dem Beispielfall damit unter dem Strich nichts.

Die Internetanbieter hätten eine Leistung verkauft – dabei sei ihnen egal gewesen, wie alt der Käufer ist. Dann müssten sie auch das Risiko tragen, wenn ein Geschäft wegen der Minderjährigkeit scheitere. Und sie könnten sich nicht an die Eltern halten.

Die Anwälte der Kläger reagierten sichtlich überrascht. Einer von ihnen meinte: Die Eltern seien doch für ihren Telefonanschluss verantwortlich. Sie könnten doch die besagten Nummern sperren lassen. Daraufhin der Vorsitzende: Ein Vater könne zu Hause auch seinen Geldbeutel vor den Kindern wegsperren. Aber es gebe durchaus Gründe dies nicht zu tun. Und wenn er es nicht tue, dann bedeute dies nicht, dass der Minderjährige alles rechtswirksam tun dürfe. Hier bleibe es bei den Vorschriften des Zivilrechts. Die Geschäfte mit den Kindern seien also in der Regel unwirksam.

Darauf der Anwalt: Wenn das Gericht jetzt so urteile, dann würde dies das ganze Bezahlsystem für Zusatzleistungen bei kostenlos angebotenen Internet-Spielen treffen. Das berühre eine ganze Branche. Es gehe dabei allein in Deutschland um 800 und weltweit sogar um 2500 Arbeitsplätze. Dazu der Vorsitzende: Es sei den Richtern bewusst, um was es hier gehe. Die Prozesse wurden auf Februar vertagt.

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