Vater will 40 Jahre keinen Kontakt: Aber Sohn muss für die Heimkosten zahlen

Karlsruhe · Mehr als 40 Jahre wollte ein Vater nach der Scheidung keinen Kontakt zum Sohn. Mit 89 Jahren starb der Mann in einem Pflegeheim. Die Stadt will nun die Heimkosten vom Sohn. Zu Recht, sagt der Bundesgerichtshof.

Wer über Jahre keinen Kontakt zu seinen Kindern haben will und diese zurückweist, der kann später im Fall einer Bedürftigkeit trotzdem Unterhalt vom erwachsenen Nachwuchs fordern. Das folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Danach gilt: Der von einem Elternteil ausgehende, einseitige Kontaktabbruch reicht für eine Verwirkung des gesetzlichen Anspruchs auf Elternunterhalt allein regelmäßig nicht aus (Az.: XII ZB 607/12 ).

Im konkreten Fall ging es um rund 9000 Euro. Diese Pflegekosten für einen Senioren hatte die Stadt Bremen ab 2008 übernommen. Der Mann lebte von einer kleinen Rente und den Erträgen einer Lebensversicherung. Er starb 2012 im Alter von 89 Jahren in einem Pflegeheim. Anschließend fordert die Hansestadt das Geld für die Pflege vom Sohn des Verstorbenen zurück. Begründung: Die Stadt sei lediglich in Vorlage getreten, der eigentliche Schuldner der 9000 Euro sei der Sohn. Er sei von Gesetzes wegen zur Zahlung von Unterhalt für seinen bedürftigen Vater verpflichtet. Der 1953 geborene Sohn sah dies anders und verweigerte die Zahlung: Sein Vater habe nach der Scheidung der Eltern 1971/1972 jeden Kontakt mit ihm abgelehnt. Selbst bei der Beerdigung des Großvaters habe der Vater kein Wort mit ihm gewechselt. In seinem Testament habe der Vater zudem verfügt, der Sohn solle nur den "strengsten Pflichtteil" erhalten, er habe mit ihm schließlich seit 27 Jahren keinen Kontakt.

Das Amtsgericht Delmenhorst folgte den Argumenten des Sohnes nicht und verurteilte ihn zur Zahlung des Elternunterhalts. Das Oberlandesgericht Oldenburg hob dieses Urteil in zweiter Instanz auf und gab dem Sohn Recht. Begründung: Der Vater habe durch sein Verhalten seinen Anspruch auf Unterhalt verwirkt. Er habe über Jahrzehnte einen besonders groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung gezeigt und den Sohn besonders schwer getroffen. Er habe offenkundig jegliche Beziehung persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinem Sohn abgelehnt und sich damit erkennbar aus dem Solidarverhältnis gelöst, das normalerweise zwischen Eltern und Kindern besteht. In einem solchen Falle müsse der Sohn keinen Unterhalt zahlen, so das Fazit der OLG-Richter.

Dieser Argumentation folgte der Bundesgerichtshof in dritter Instanz nicht. Sein Urteil: Der Sohn muss zahlen. Der Unterhaltsanspruch des Vaters sei trotz des Kontaktabbruchs zu dem volljährigen Sohn nicht verwirkt. Ein solcher Kontaktabbruch sei zwar eine Verletzung der Pflicht zu Beistand und Rücksicht und damit eine familienrechtliche Verfehlung. Dies allein reiche aber nicht aus. Nur beim Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten als schwere Verfehlung erscheinen lassen, komme eine Verwirkung des Elternunterhalts in Betracht. Solche erschwerenden Umstände seien im konkreten Fall nicht festgestellt worden. Fazit der Bundesrichter: Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt haben. Andererseits habe der Vater sich in den ersten 18 Lebensjahren seines Sohnes um diesen gekümmert. Er habe daher gerade in der Lebensphase, in der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich ist, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt. red/wi

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