Tödliche Verkehrsunfälle durch Handys

Dübendorf · Welche Folgen es haben kann, wenn ein Autofahrer am Steuer sein Handy benutzt, hat die Axa-Versicherung bei Crashtests demonstriert. Seit 1985 finden solche Tests statt. In diesem Jahr wurden im schweizerischen Dübendorf drei Unfälle simuliert.

 Weil der Fahrer des Pkws auf seinem Smartphone eine Nachricht schrieb, geriet er auf die Gegenfahrbahn. Der Zusammenstoß mit einem Lastwagen war nicht mehr zu vermeiden. Fotos: Axa Winterthur

Weil der Fahrer des Pkws auf seinem Smartphone eine Nachricht schrieb, geriet er auf die Gegenfahrbahn. Der Zusammenstoß mit einem Lastwagen war nicht mehr zu vermeiden. Fotos: Axa Winterthur

(np) Welche dramatischen Folgen es haben kann, wenn Autofahrer und Fußgänger durch ihre Handys abgelenkt sind, zeigten drei Crashtests, die die Axa-Versicherung durchgeführt hat.

Beim ersten Crash wird ein Auffahrunfall auf der Autobahn nachgestellt, an dem drei Personenwagen beteiligt sind. Es hat sich bereits ein Stau gebildet. Während das erste Auto noch rechtzeitig zum Stehen kommt, fährt das folgende Fahrzeug mit 60 km/h auf die stehende Kolonne auf, weil der Fahrer durch sein Smartphone abgelenkt ist. Durch den Aufprall wird das stehende Auto stark beschleunigt. Es entstehen so große Kräfte, dass Fahrer und Beifahrer in ihre Sitze gedrückt werden. Das beschleunigte Fahrzeug wird auf einen davor stehenden Van geschoben und dadurch abrupt abgebremst. Fahrer und Beifahrer werden jetzt nach vorne geschleudert. Während der Fahrer angegurtet ist und in die Sicherheitsgurte gedrückt wird, sind die Folgen für den Beifahrer gravierender. Da er nicht angegurtet ist, wird er in Richtung Windschutzscheibe geschleudert. Die rasch wechselnden Beschleunigungsspitzen führen beim Fahrer mit großer Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen. Der Beifahrer muss mit schweren Verletzungen rechnen.

Im zweiten Crashtest kollidiert ein Pkw mit einem Fußgänger , der im Gehen auf sein Smartphone starrt und zudem Musik über Kopfhörer hört. Er überquert quasi blind und taub eine Straße und wird dabei von einem Pkw mit 50 km/h erfasst.

Der Fußgänger wird vom Personenwagen im Frontbereich mitgerissen und auf die Kollisionsgeschwindigkeit beschleunigt. Er wird einige Meter weit weggeschleudert und prallt anschließend auf dem Asphalt auf.

Bereits die direkte Kollision mit dem Pkw ist für den Fußgänger heftig, der Aufprall auf den Boden führt zu weiteren Verletzungen. Bei einer Kollisionsgeschwindigkeit von 50 km/h liegen die Überlebenschancen für Fußgänger bei lediglich 30 Prozent. Der angegurtete Fahrer bleibt wahrscheinlich unverletzt.

Im dritten Crashtest stößt ein Pkw, dessen Fahrer auf seinem Smartphone eine Nachricht schreibt, auf einer Landstraße mit einem entgegenkommenden Lastwagen zusammen. Der abgelenkte Autofahrer überfährt die Mittellinie und gerät auf die Gegenfahrbahn, auf der ihm der Lastwagen entgegenfährt. Trotz sofortiger Bremsung ist der Lkw noch 30 km/h schnell, als er in den Pkw, der noch mit 60 km/h fährt, hineinprallt. Personenwagen und Lastwagen kollidieren auf der linken Fahrzeugseite.

Durch das ungleiche Kräfteverhältnis wird der Pkw beim Aufprall stark beschädigt und zurück auf seine Fahrspur geschleudert. Der Lastwagen wird nur leicht demoliert. Durch die Wucht des Aufpralls zieht sich der Fahrer des Pkws schwere, womöglich sogar tödliche Verletzungen zu. Der Lastwagenfahrer wird möglicherweise nur leicht verletzt.

Einer aktuellen Studie der Stiftung für Prävention der Axa Winterthur (Schweiz) zufolge nutzen zwei Drittel der Autofahrer und Fußgänger ihr Smartphone, während sie im Straßenverkehr unterwegs sind. Und das, obwohl 94 Prozent der befragten Autofahrer das selbst als gefährlich einstufen. "Richtet man bei einer Autofahrt mit Tempo 50 den Blick nur zwei Sekunden auf sein Smartphone-Display, befindet man sich 28 Meter im Blindflug", sagt Bettina Zahnd, Leiterin der Abteilung Unfallforschung & Prävention.

Autofahrer nutzen das Handy während der Fahrt am häufigsten zum Telefonieren oder als Navigationsgerät. 23 Prozent gaben an, auch schon SMS oder Whatsapp-Nachrichten am Steuer gelesen zu haben. 13 Prozent haben sogar selber Nachrichten geschrieben.

Zahnd verweist darauf, dass Autofahrer in Deutschland das Handy benutzen dürfen, wenn der Motor ausgeschaltet ist. Das gelte nach dem Gesetz zum Beispiel auch, wenn das Fahrzeug mit einer Start-Stopp-Automatik ausgerüstet ist und sich an der Ampel oder im Stau automatisch ausschaltet. Bettina Zahnd sieht hier Handlungsbedarf: "Das Lesen oder Schreiben von Nachrichten am Handy während der Fahrt ist deutlich gefährlicher als das Telefonieren ohne Freisprechanlage, da die Autofahrer den Blick nicht auf die Straße, sondern aufs Display richten."

Sie fordert deshalb: "Die Nutzung von mobilen Geräten während der Autofahrt sollte deutlich höher bestraft werden als das Telefonieren ohne Freisprechanlage." Die Unfallforscherin ist überzeugt, dass höhere Strafen zu einem besseren Problembewusstsein unter Autofahrern führen.

Nicht nur Autofahrer , auch Fußgänger werden durch ihre Smartphones abgelenkt. Jeder dritte der befragten Fußgänger nutzt sein Smartphone oft, wenn er im Verkehr unterwegs ist, ein weiteres Drittel zumindest gelegentlich. Sogenannte Smartphone-Zombies - kurz: Smombies - richten ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Straße, sondern auf ihre Geräte und gefährden dadurch sich selbst und andere.

Bettina Zahnd befürchtet, dass von Smombies verursachte Unfälle zunehmen und die Opfer von Fußgängerunfällen deutlich jünger werden, "Unsere Studie zeigt, dass insbesondere Personen unter 35 Jahren das Smartphone überdurchschnittlich oft im Straßenverkehr nutzen." Bei den 14- bis 25-jährigen Fußgängern verwendet mehr als die Hälfte ihr Handy oft oder sehr oft, wenn sie unterwegs ist, insbesondere um Musik zu hören, SMS oder Whatsapp-Nachrichten zu lesen oder zu schreiben sowie zum Telefonieren.

In Deutschland werden derzeit in Köln und Augsburg an Straßenübergängen sogenannte Bodenampeln getestet, rote LED-Leuchten entlang des Bordsteins. Sie sollen unaufmerksame Fußgänger aufschrecken. Die Unfallforscherin fordert, dass auch abgelenkte Fußgänger bestraft werden.

Bei den Crashtests in Dübendorf präsentierte Axa erstmals ein 360-Grad-Video aus der Sicht des Fahrers, der auf der Autobahn in einen plötzlichen Stau gerät. "Unsere Erfahrung zeigt, dass das Erleben ein zentraler Faktor für erfolgreiche Prävention ist. Das Video lässt den Betrachter geradezu in die Situation eintauchen", sagt Bettina Zahnd. Das Video "one second away" ist auf Youtube zu sehen.

 Bei einem Stau auf der Autobahn kommt es zu einem Auffahrunfall, weil der Fahrer des roten Wagens gerade auf sein Handy guckte.

Bei einem Stau auf der Autobahn kommt es zu einem Auffahrunfall, weil der Fahrer des roten Wagens gerade auf sein Handy guckte.

 Ein Fußgänger, der beim Überqueren der Straße aufs Handy starrte, wurde frontal von einem herannahenden Auto erfasst.

Ein Fußgänger, der beim Überqueren der Straße aufs Handy starrte, wurde frontal von einem herannahenden Auto erfasst.

MebdqBikGx4

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort