Tachobetrug ist ein einträgliches Geschäft

München · Manipulationen könnten mit bereits im Auto vorhandenen Chips verhindert werden. ADAC kritisiert Untätigkeit der Autobauer.

 Der Kilometerstand eines Gebrauchtwagens lässt sich mit einem entsprechenden Gerät sekundenschnell zurückdrehen. Foto: TÜV Rheinland

Der Kilometerstand eines Gebrauchtwagens lässt sich mit einem entsprechenden Gerät sekundenschnell zurückdrehen. Foto: TÜV Rheinland

Foto: TÜV Rheinland

(np) Tachomanipulationen zählen zu den häufigsten Betrügereien auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Laut Ermittlungen der Polizei ist an jedem dritten in Deutschland verkauften Gebrauchtwagen der Tacho manipuliert worden. Opfer sind pro Jahr rund zwei Millionen private Gebrauchtwagen-Käufer. Das bedeutet allein in Deutschland einen jährlichen Schaden von fast sechs Milliarden Euro.

Das "Zurückdrehen" eines Tachos geht heute kinderleicht. Die für eine Manipulation erforderlichen Geräte sind frei erhältlich. Billige Exemplare für Privatanwender kosten weniger als 150 Euro. Obwohl es gesetzlich verboten sei, würden solche Manipulationen auch von vielen "Dienstleistern" zu Preisen ab 50 Euro pro Auto überall angeboten, berichtet der ADAC. Die "Dienstleister" verwenden dazu handliche, leicht bedienbare Manipulationsgeräte, mit der die meisten Autos binnen Sekunden auf einen beliebigen Kilometerstand manipuliert werden können.

Das Ziel dabei ist, den Wert eines Gebrauchtwagens beim Verkauf auf betrügerische Weise zu steigern oder auch nur Leasing-Strafzahlungen zu vermeiden.

So kostet ein gebrauchter VW Golf GT, bei dem die tatsächliche Laufleistung von rund 160 000 Kilometern auf 40 000 Kilometer zurückgedreht wurde, statt 8350 Euro 13 150 Euro. Durch eine sekundenschnelle Manipulation machen Gauner einen Gewinn von 4800 Euro.

Tests des ADAC haben ergeben, dass keines der aktuellen Pkw-Modelle manipulationssicher ist. "Das Herunterdrehen des Tachostandes ist bei den meisten Modellen auf dem Gebrauchtwagenmarkt so simpel und billig, dass sich beim Verkauf ein deutlicher Gewinn aus der Manipulation schlagen lässt", erklärt der Club.

Als Schutz werden immer wieder Kilometerstand-Datenbanken vorgeschlagen, in die bei Werkstatt-Besuchen oder Hauptuntersuchung der aktuell abgelesene Kilometerstand des Fahrzeugs eingetragen wird. Damit soll die Laufleistung eines Wagens dann nachvollziehbar sein. Diese Lösung lehnt der ADAC ab. Kriminelle Manipulationen der Kilometerstände könnten durch eine Datenbank allein nicht verhindert werden. Betrüger könnten beispielsweise vor einer Hauptuntersuchung den Kilometerstand des Autos manipulieren. Der falsche Wert lande dann in der Datenbank und sei damit amtlich bestätigt. Denn vor dem Eintrag wird nicht geprüft, ob der Kilometerstand manipuliert ist.

Den besten Schutz vor Tachobetrug sieht der Automobilclub in einer bereits verfügbaren technischen Lösung: der manipulationssicheren Speicherung des tatsächlichen Kilometerstandes direkt im Fahrzeug. Es handelt sich um sogenannte HSM-Chips (Hardware Security Module), die schon in Auto-Steuergeräten verbaut werden. Allerdings werden sie nicht zum Schutz gegen Tachobetrug verwendet, sondern gegen Diebstahl und Chiptuning.

Eine Nutzung der HSM-Chips auch gegen Tachobetrug würde nach Einschätzung des ADAC nur wenige Cent pro Auto kosten.

Da sich derzeit eine Manipulation des Kilometerstandes auf technischem Weg meist nicht aufdecken lässt, sollten Interessenten vorm Kauf eines Gebrauchtwagens möglichst genau recherchieren, ob sich aufgrund von Dokumenten Unstimmigkeiten ergeben: zum Beispiel durch Überprüfen von Reparatur-Rechnungen, AU- und TÜV-Berichten, Tankbelegen - bei Verwendung einer Tankkarte steht dort der Kilometerstand -, Eintragungen im Serviceheft und Ölwechsel-Anhängern. Wenn zum Beispiel der nächste Ölwechsel bei 180 000 Kilometern fällig ist, das Auto aber erst 100 000 Kilometer gelaufen ist, stimmt etwas nicht.

Man kann auch Kontakt mit den Vorbesitzern aufnehmen, die in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen sind. Dabei sollte man klären, mit welchem Kilometerstand das Fahrzeug jeweils verkauft wurde. Verkäuferangaben wie "Kilometerstand laut Tacho" oder "Kilometerstand abgelesen" sind unverbindlich. Käufer sollten darauf bestehen, dass im Kaufvertrag die Formulierung "tatsächliche Laufleistung" verwendet wird.

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